Nuramon
gehört.«
»Ja, Herrin.«
Nerimee nickte, dann blickte sie zu Graf Blegir. »Wir akzeptieren die Geisel deines Fürsten und werden sie hier als Zeichen der Freundschaft aufnehmen. Aber nicht als Dame, sondern als Kriegerin. Sie soll sich heute noch bei der Palastwache melden.«
Graf Blegir beugte sein Haupt. »Ich danke dir«, sagte er mit erleichterter Miene. Das Mädchen aber staunte.
Yendreds Neugier war erwacht. Dieses Mädchen hatte es offenbar so weit getrieben, dass der Fürst sie verbannte, denn nichts anderes war hier soeben geschehen.
Als die Gesandtschaft fort war, bat Nerimee Salyra zu sich an den Thron. Das Mädchen verbeugte sich, und Nerimee musterte sie lange. »Yendred. Sei so lieb, und zeig Salyra den Hof«, sagte sie schließlich und lächelte ihn an. Dann flüsterte sie der Leibwache etwas zu, das Yendred nicht hören konnte.
Er erhob sich, wies den Weg, schritt voran und war erleichtert, als er Salyras Schritte hinter sich vernahm. »Meine Schwester vertraut dir nicht«, sagte Yendred, als sie endlich in der Eingangshalle standen.
»Ich würde mir auch nicht vertrauen«, entgegnete sie und grinste breit.
»Guck mal«, sagte er und wies auf die Wachen, die aus dem Thron saal gekommen waren und plötzlich so taten, als wären sie in ein Gespräch vertieft. »Sie glauben, sie wären rechtzeitig bei mir, wenn du plötzlich einen Dolch ziehst und auf mich losgehst.«
Salyra lachte. »Deine Schwester hat gesehen, dass hier kein Platz für einen Dolch ist.« Sie klopfte auf ihre Brust.
Yendred nickte. Er wusste zudem, dass der Zauberblick seiner Schwester Metall an ihrem Körper erkannt hätte. »Komm«, sagte er und führte die Nyrawuri durch den Hinterausgang in den Garten hinaus. Die Leibwachen wies er an, an der Doppeltür zu warten.
Eigentlich wollte Yendred sie zur Steinbank führen und einen Blick über die Stadt, die Flussmündung und das Festland bieten, doch Salyra blieb mit einem Mal stehen und starrte mit offenem Mund nach rechts zur Seite in den Park – zur Birkeneiche.
»Bei allen Ahnen! Es ist wahr«, rief sie.
»Hast du sie nicht von unten gesehen?«, fragte Yendred.
»Ja. Aber ich dachte, ihr hättet einfach den Stamm einer Eiche weiß bemalt.«
Yendred nickte und berührte Salyra an der Schulter. Sie zuckte, schaute ihn verwirrt an, nur um ihn dann anzustrahlen. Dann folgte sie ihm zu der Steinbank im Garten.
Sie setzten sich, und das Lächeln verschwand von Salyras Gesicht. Sie schaute über das Land, sog die Luft ein und schloss gelegentlich die Augen.
»Warum haben sie dich zu uns geschickt?«, fragte Yendred nach einer Weile.
Sie lachte. »Ich war ihnen peinlich. Ein Mädchen, das Kriegerin werden will.«
»Ich kenne Kriegerinnen, die nahezu jeden Mann hinfortfegen würden.« Er dachte an Nylma und Loramu. »Und jene, die nachdrän gen, werden sie noch überbieten.« Er wusste, dass Lyasani ihren Vater stolz machen würde. »Wenn sie dich ausgelacht haben, warum haben sie dich dann fortgeschickt?«
Mit verlegener Miene blickte sie zu Boden. »Sie ertappten mich, als ich versuchte, mich als Lehrling bei der Stadtwache einzuschleichen.«
Yendred schaute in ihrem Gesicht umher. Die weichen Lippen, das seidige, lange Haar und dieses Lächeln ließen keinen Zweifel an Salyras Geschlecht. »Du hast ein Mädchengesicht«, sagte er. »Das konnte nicht gut gehen.«
Sie legte den Kopf schief. »Ist es ja auch nicht«, sagte sie. »Ich habe mich dann brav benommen, aber als Hofmädchen war ich unpas send. Und deine Schwester hat mich ja auch sofort durchschaut. Dass i ch hier bin, wird am Hof meines Fürsten für lautes Gelächter sorgen. Ich bin nämlich im Grunde ein schlechter Witz.«
Yendred zwinkerte ihr zu. »Hier wird gewiss niemand lachen. Und wenn du hier fertig bist, wird den Höflingen deines Fürsten das Gelächter im Hals stecken bleiben.«
Verwundert sah er, wie sich ihre großen, braunen Augen langsam mit Tränen füllten. Aber sie lächelte immer noch.
»Komm, wir gehen in die Schwerthalle«, sagte er und erhob sich. »Ich muss dir jemanden vorstellen.«
»Wen denn?«, fragte Salyra.
»Lyasani – Bjoremuls Tochter.«
Salyra staunte. »Bjoremuls Tochter«, wiederholte sie leise, als hätte Yendred ihr von Albenmark, der Trennung der Welten oder ähnlich unglaublichen Dingen erzählt.
Orakelblick
Dorgal hatte versucht, Bjoremul zu hassen. Damals in Teredyr hatte er dessen Verrat an König Mirugil noch hingenommen, weil er ihrem Herrn Varramil
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