Nuramon
Schreiben hieß es, dass weitere Zeichen des neuen Bündnisses Verhandlungssache seien. Diese Nachverhandlungen hatte Borugar in Nerimees Hände gelegt.
An der Spitze des nyrawurischen Zuges, noch vor den Bannerträgern, betrat ein edel gekleideter Mann den Saal. Er trug einen schwarzen Mantel über weißen Gewändern. Die Medaille, die an einer Kette auf seiner Brust ruhte, wies ihn als Adligen aus.
»Das ist Graf Blegir«, flüsterte Nerimee.
Yendred hatte nicht den Eindruck, dass Blegir mit seinen zornigen Brauen, der ernsten Miene und dem langen, starren Gesicht wie ein Gesandter wirkte, der nach Frieden strebte.
»Sei gegrüßt, Nerimee Yannaru«, sagte der Graf zur Begrüßung.
»Willkommen, Graf Blegir«, erwiderte Nerimee.
»Man sagte uns bereits, dass der Fürst nicht persönlich anwesend sein kann«, erklärte der Graf mit geringschätzender Miene.
»Der Fürst belagert Varlbyra«, entgegnete Nerimee lächelnd.
Blegirs Gesichtszüge erstarrten.
»Aber da dein Fürst ebenfalls nicht zugegen ist und die Verträge bereits unterzeichnet sind, ist die Anwesenheit meines Vaters nicht notwendig.«
»Gewiss«, sagte Blegir.
»Wird Nyrawur die Zusagen einhalten?«, fragte Nerimee im Merelbyrer Singsang.
Blegir hielt kurz inne, dann wandte er sich um. Die Reihen lichteten sich, und einige Wachen brachten eine schwere Truhe nach vorn und stellten sie vor dem Grafen ab. »Dies ist die erste Kiste des Tributs. Die anderen befinden sich auf dem Hof.«
Nerimee schaute zu Terbarn hinüber. Der Palastvogt nickte. »So lass uns über einen Gefangenenaustausch sprechen«, sagte sie schließlich.
Yendred begrüßte es zwar, dass Gefangene ausgetauscht wurden und gekaperte Schiffe in ihre jeweiligen Heimathäfen zurückfanden, doch als sie dann auf Geiseln zu sprechen kamen, die zwischen Herrscherhäusern ausgetauscht werden sollten, wurde ihm die Zeit lang.
Nerimee und Blegir sprachen über allerlei Adelskinder, die im jeweils anderen Reich aufwachsen sollten. Sie vereinbarten, dass je ein Adelsball stattfinden sollte – einer in Jasbor, einer in Mirusar, der Hauptstadt von Nyrawur. Yendred fielen fast die Augen zu. Dann aber kam Bewegung in den Saal: Der Graf winkte ein Mädchen zu sich und führte es vor Nerimee.
Mit einem Schlag war Yendred wieder hellwach. Die glänzenden, braunen Augen des Mädchens fielen Yendred sofort auf, ebenso die lange Nase und der langgezogene Mund. Ihr freches Lächeln verriet, dass dieses Mädchen, das gewiss kaum älter als Yendred war, Ärger bedeutete. Und schon war alle Langeweile verflogen.
»Dies ist Salyra, die Tochter Graf Jasnyraguls und die Nichte meines Fürsten. Mein Herr bittet darum, sie zur Geisel am Hof deines Vaters zu machen.«
Yendred war beeindruckt. Die Länge in ihren Zügen empfand er als schön. Ein Geheimnis umgab dieses Mädchen. An ihrer Verbeugung erkannte er sofort, dass sie das edle Kleid einengte. Sie verbeugte sich wie Nylma. Und dabei vermied Nylma es, die engen Hemden und Röcke der Nyrawuri zu tragen.
»Müsste ich misstrauisch sein, dass eine kindliche Kriegerin in den Gewändern einer kindlichen Dame an meinen Hof kommt?«, fragte Nerimee.
Yendred musste schmunzeln, Graf Blegir hingegen machte ein überraschtes Gesicht. »Salyra war auf dem Weg, Kriegerin zu werden«, sagte er stotternd. »Doch unsere Gesetze verbieten es. Sie ist eine Dame.«
Nerimee lächelte. »Dein Herr möchte also, dass dieses Mädchen bei uns am Hof lebt. Verzeih mir also, wenn das Wort Geisel in meinen Ohren plötzlich sehr nach dem Wort Spion klingt.«
»Du beleidigst uns«, erwiderte der Graf mit gereizter Miene.
»Und du beleidigst meinen Verstand«, erwiderte Nerimee. »Lass das Kind für sich selbst sprechen.«
Der Gesandte trat zur Seite und ließ das Mädchen vortreten.
Nerimee schaute an ihr herauf. »Dein Fürst bietet dich uns als Geisel an. Bist du damit einverstanden?«
»Ich beuge mich dem Willen der Krone«, sagte Salyra.
Nerimee schmunzelte. »Dann bist du nicht einverstanden.«
»Nein«, sagte Salyra. »Ich bin nicht einverstanden.«
Unter den Nyrawuri flammte Unruhe auf. »Du närrisches Kind«, rief Graf Blegir.
Nerimee hob die Hand, und es kehrte Ruhe ein. »Wenn du könntest, wie du wolltest, wärest du dann hier?«, fragte sie das Mädchen.
»Vielleicht«, sagte Salyra.
»Als Dame?«, fragte Nerimee.
Salyra schüttelte den Kopf. »Als Kriegerin.«
Nerimee lächelte. »Du hast von den Kriegerinnen hier in Jasbor
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