Nuramon
Palastgardisten und königlichen Wyrenar direkt gegenüber. »Wenn die erst einmal fort sind, wird alles ein Ende haben«, sagte der Herzog.
Nuramon schaute seinen Schwiegervater an. »Willst du diese Entscheidung wirklich in meine Hände legen?«
»Ja«, sagte Borugar. »Wenn du willst, dann nimm dir dieses Königreich, und herrsche als mein Sohn darüber.«
Nuramon wollte weder dieses Königreich noch die Verantwortung für diese Menschen. Widerwillig schritt er die Treppe hinab. Die Leichen von Gaerigar, Nylma und Yargir lagen zwischen der Königsfamilie und den überlebenden Kriegern der Varmulier. Der Anblick ließ Nuramons Hass auflodern. Da lag seine halbe Familie am Boden, und dort war die Familie des Mannes, der für all das Leid der letzten Jahrzehnte verantwortlich war. Er begriff nur zu gut, was die Menschen bewegte, wenn sie Rache nahmen.
Nuramon musste den Blick von seinem Sohn und seinen Freunden abwenden, sonst hätte er kein Wort herausgebracht. Er atmete tief durch, und schließlich sagte er zu den Frauen des toten Königs: »Die Regeln verlangen, dass ich euch hinrichten lasse. Und bei all euren Ahnen! Es ist genug Hass in mir, dass ich es tun könnte.« Er betrachtete Yenwara. »Du bist die Königin.«
Yenwara nickte, und ihr Sohn drückte sich an sie.
»Erinnerst du dich an Daoramu?«
»Wie könnte ich sie je vergessen«, sagte sie leise, dann kamen ihr die Tränen. Daoramu hatte immer wieder von Yenwara gesprochen, und nun sah Nuramon die Unschuld, die seine Frau ihm beschrieben hatte, leibhaftig vor sich. Die Königin weinte wie ein Kind, und ihr Sohn blickte mitleidvoll zu ihr auf.
Nuramon schaute noch einmal auf die Leiche seines Sohnes, die zu seinen Füßen lag, und dann wieder zu Yargir und Nylma. Der Schmerz ließ ihn den Schaft seines Schwertes umfassen, und er dachte daran, wie leicht es wäre, die wenigen Schritte zu tun und den Thronerben niederzustechen. Doch jedes Mal, wenn er Yenwara und ihren Sohn Tyregol anblickte, war der Hass unterbrochen. Und als er dem Jungen in die Augen sah und erkannte, dass es die unschuldigen Augen seiner Mutter waren, jene Augen, von denen Daoramu ihm erzählte hatte, sagte er: »Ich weiß, dass das mir und anderen eines Tages den Tod bringen könnte.« Er trat näher. »Aber dieser Tag hat schon genug Blut gesehen. Ich schenke euch das Leben.«
Ein Raunen lief durch den Saal, und es war Dorgal, der die rat losen Blicke der Umstehenden in Worte fasste. »Aber warum?«, fragte er und schaute zwischen Yenwara und ihm hin und her.
»Ja, warum?«, rief Jasgur von den Stufen herab. »Denk an all das, was wir heute verloren haben. Dieser Junge wird aufwachsen und uns den Krieg bringen. Ich bitte dich, hör auf mich! Du willst nicht den nächsten Tyrannen auf dem Thron sehen!«
Nuramon schaute zum jungen Thronerben hinüber. In dessen Augen sammelten sich die Tränen, seine kleinen Lippen bebten, und in der unruhigen Miene erkannte Nuramon nichts Geringeres als Todesangst. Jasgur sprach vom Töten, und das Leben dieses Kindes und all der anderen lag noch immer in Nuramons Hand.
Er ließ Dorgal zu sich führen. Als der Wyrenar in seiner zerfetzten Lederrüstung vor ihm stand, sagte Nuramon: »Du und die anderen, ihr werdet die Königsfamilie fortbringen. Wohin ihr wollt. Sie stehen unter eurem Schutz.«
Dorgal stockte der Atem. »Ich habe dich falsch eingeschätzt, Alvaru«, sagte er schließlich und beugte das Haupt vor Nuramon. »Das werde ich dir nie vergessen.«
»Muss ich jetzt sterben?«, fragte der junge Thronerbe seine Mutter unvermittelt.
Nuramon wandte sich ihm zu, und das Kind erschrak. Er konnte es ihm nicht übelnehmen. »Tyregol, du musst nicht sterben«, sagte Nuramon schließlich. »Du darfst gehen. Du wirst mich hassen und meinen Herrn. Aber vergiss nie, dass ich dir das Leben schenkte. Und dann sei am Ende so klug, und verzichte auf deine Rache.«
Der Junge starrte ihn nur an. Gewiss verstand er nicht, was Nuramon meinte. Aber falls er sich einst an diese Worte erinnerte, mochte der ewige Kreis aus Rache und Gegenrache endgültig gebrochen sein.
Nuramon schaute Yenwara ins Gesicht. Ihr liefen die Tränen über die Wangen. »Es tut mir leid«, flüsterte sie, und er wusste, dass sie Daoramus Schicksal meinte.
»Sei deinem Sohn eine gute Mutter«, sagte Nuramon, und als Yenwara zögerlich nickte, hegte er die Hoffnung, dass sie ihren Sohn vom Pfad der Rache fernhalten würde.
Nuramon winkte die varmulischen Wyrenar zu sich,
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