Nuramon
Waffe traf den Varmulier im Gesicht und ließ ihn schreiend kehrtmachen. Dann packte Gaerigar sein Schwert, zwang sich auf die Beine und sprang an Nylmas Seite. Er war ihre Verteidigung zur Linken, Yargirs zur Rechten, und immer wieder galt sein Blick seinem Großvater, der nun von Leibwachen flankiert gegen Mirugil und dessen Palastwachen focht.
Nylma hatte recht: Es waren zu viele. Zu viele, um sie unbeschadet zu bezwingen. Zu viele, um mit einer blutenden Wunde bei Kräften zu bleiben. Gaerigar spürte geradezu, wie die Lebenskraft aus ihm hinausströmte. Seine Bewegungen wurden langsam, und als Nylma aufschrie, weil er den Angriff einer Palastwache nicht abgewehrt hatte, wusste er, dass das Ende nahte.
Ein Krieger stach über Gaerigars Klinge hinweg und traf ihn in der Brust. Er sah noch, wie Nylma kreischend über den Palastkrieger herfiel und viermal auf seinen Körper einhackte, dann sank Gaerigar zusammen und sah Yargirs Gesicht über sich. Daneben das seines Großvaters.
»Gaerigar!«, rief sein Großvater. »Gaerigar! Junge! Komm zu dir!« Doch ihm wurde schwarz vor Augen, und er merkte, wie sich die Lider schlossen. Er wollte sie nicht mehr öffnen. Nicht jetzt. Er wollte sich ausruhen und später weiterkämpfen.
Nylma rief nach seinem Vater, und Yargir und Borugar stimmten mit ein. Dann schrie Nylma vor Wut, schließlich aber vor Schmerz. Da rief Yargir ihren Namen. »Das macht nichts«, hörte Gaerigar sie leise sagen. »Wir wussten, dass es so enden würde.«
»Öffne die Augen, Junge«, sagte sein Großvater. »Du musst die Augen öffnen.« Er rüttelte an ihm. »Bitte, Gaerigar.« Doch er war zu müde, um die Augen zu öffnen, zu müde für den Kampf, den Zorn und die Trauer. Es war vorbei, und er fragte sich, wohin ihn seine Reise nun führen würde und ob Nylma ihn begleiten würde. An dem Gedanken, dass seine Lehrmeisterin mit ihm ins Jenseits eingehen könnte, fand er nichts Schmerzliches mehr. Das Leid floss einfach davon. So war es wohl, wenn man das Leben hinter sich ließ.
Gaerigar spürte ein Zittern in der Luft. Donnergrollen erhob sich und ließ den Boden erbeben. Es blitzte in der Finsternis, Schmerzensschreie hallten in der Ferne, und die Magie wehte ihm ins Gesicht. Es war wie ein Sturm, der ihm über dem Meer entgegenstrebte.
Nuramon streifte sich die Zauberringe von den Fingern, denn ihre Macht war aufgebraucht. Er schickte Loramu an Bjoremuls Seite, damit sie ihm gegen Dorgal und eine Übermacht an Palastwachen beistand. Dann machte er sich auf den Weg zu seinem Sohn. Der Hass, der in seinem Inneren tobte, wartete nur darauf, ein neues Opfer zu finden. Und jene Feinde, die den Mut aufbrachten, sich ihm in den Weg zu stellen, bekamen es zu spüren. Er sandte sie mit magischen Blitzen zu Boden. Als zwei Wyrenar von der Seite heransprangen und ihn am Arm und an der Schulter verletzten, schoss seine Magie durch seinen Körper und schloss die Wunden binnen eines Augenblicks. Dann stach Nuramon die beiden Angreifer nieder und setzte seinen Weg fort.
Als er Gaerigar erreichte und das viele Blut auf der Brust seines Sohnes sah, war er erschüttert. Borugar machte ihm Platz und setzte sich neben ihn auf den Boden. »Bitte, Nuramon«, hauchte er mit verzweifelter Miene.
Nuramon ging auf die Knie und wirkte sofort einen Heilzauber. Während er die Kräfte fließen ließ, erblickte er Yargir und Nylma. Yargir ruhte in einer Blutlache, sein schwaches Bein war von Schnittwunden übersät; Nylma hielt Yargirs Hände gefasst, ihr Kopf lag an seiner Schulter, und Blut rann aus ihrem Mund.
Borugar schluchzte und schüttelte langsam den Kopf. Nuramons Blick wanderte zu seinen eigenen Händen, die er auf Gaerigars Brust gedrückt hielt. Die Magie strömte wie unter einer Eisschicht dahin. Als Nuramon in das starre Gesicht seines Jungen schaute, merkte er es: Seine Magie durchdrang Gaerigar einfach, ohne sich festzusetzen und die Wunden zu heilen oder den Körper zu stärken.
Gaerigar war tot.
Inmitten der Kämpfenden löste Nuramon sich langsam vom Körper seines Sohnes und tastete nach Yargir, dann nach Nylma. Auch dort fand er nichts als Leere. Keinen Funken Leben und keine Hoffnung. Unendlich langsam erhob er sich und suchte im Gesicht seines Schwiegervaters nach Trost oder irgendetwas, das den flammenden Schmerz zügeln konnte. Doch in Borugars Miene fand er noch immer nur Verzweiflung.
Der Kampflärm um sie herum wollte einfach nicht schweigen, und jeder Blick umher nährte Nuramons
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