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Nuramon

Nuramon

Titel: Nuramon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sullivan
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mit zwei Fingern von den Wurzeln des Baumes zum Stamm hinauf. »Sie kamen von all diesen Orten, und hier wurden sie zu einem Volk.« Er schaute zur Baumkrone auf. »Auf einem dieser Äste liegen eure Ahnen.«
    »Dass Yanna das hier betrachtet haben könnte!«, flüsterte Yendred. »Und dass sie in diese Baumkrone aufschaute, in der Hoffnung, ihre Nachfahren würden in Freiheit leben!« Er schüttelte den Kopf. »Unfassbar.«
    Nylma schmunzelte. »Die Ahnen haben gewiss nicht einmal in ihren buntesten Träumen geglaubt, dass ihre Nachkommen hier eines Tages stehen würden.« Sie schaute sich um. »Vielleicht wurde sogar genau hier der Gedanke des Aufstandes geboren.«
    Yendred war überwältigt. Cardugar mochte hier zur raschen Attacke aufgerufen haben, während Yanna zur Geduld gedrängt hatte. Und Byrrun hatte ihnen die Folgen eines zu früh ausgeführten Angriffs vor Augen geführt. Eine zu kleine Flamme erlischt im Wind, hatte er gesagt. So hieß es in den Sagen.
    Wieder in der Stadt, führte Nuramon die Gefährten nach Süden. Sie überquerten den großen Platz, auf dem der Albenstern lag, und gelangten durch ein halb eingestürztes Tor in den Bezirk der Herrscher. Die Ruinen breiter Prachtbauten zogen sich hier ebenso in die Höhe wie Wehrtürme.
    Im Zentrum der Südstadt lag ein Platz, an dem sich der Tempel mit der großen Kuppel erhob. Einige der Statuen, die vor dem brüchigen Gebäude standen, waren beinahe unversehrt. Sie zeigten bullige Krieger in kraftvollen Posen. Einst mochten sie Waffen gehalten haben, doch nun waren ihre Hände leer, und sie wirkten hilflos.
    Über einen Geröllhaufen kletterten sie ins Innere des Tempels und schauten über eine gewaltige Schutthalde hinweg. Das Tageslicht erhellte eine Seite des Raumes und schlug gegen verblasste Gemälde, deren Einzelheiten nicht auszumachen waren. In den Nischen, die das Tageslicht nur indirekt erreichte, waren die Wandgemälde noch zu erkennen. Sie zeigten die Falschen Götter – Wesen mit menschlichen Körpern und Tierköpfen. Auf den erhaltenen Malereien waren sechs von ihnen zu sehen, einer trug den Kopf eines Ebers.
    Nuramon starrte das Bild des Mannebers, wie Mandred ein solches Wesen einst genannt hatte, voller Abscheu an. Der Anblick brannte in seinen Augen, als hätte die Erinnerung an den Kampf gegen den Devanthar seinen Tränen Schärfe verliehen. Er wäre am liebsten hinaufgeklettert und hätte den Eberschädel unkenntlich gemacht, damit niemand, der je wieder dieses Weges kam, das Antlitz seines Feindes sähe.
    »Sind das die Devanthar?«, fragte Yendred.
    Nuramon zögerte, dann nickte er. »Der mit Eberschädel ist der, gegen den ich antrat«, sagte er und starrte in die blauen Augen des letzten Devanthar, die selbst in diesem gedämpften Licht strahlten. »Ich werde diese Augen nie vergessen.«
    Am frühen Morgen spazierte Nerimee durch den Keller. Die Arbeiter waren seit Tagen fort. Sie hatten Gänge gesichert, eingestürzte Tunnel freigelegt und nach Nerimees Anweisungen Wege in die Tiefe gegraben. Zufrieden betrachtete sie den großen Kuppelsaal und schritt zwischen den mächtigen Säulen hindurch. Dies war das Herzstück der kahlen Hallen, durch die bald schon die Magie fließen würde.
    Nerimee folgte einem der drei neuen Gänge zu den tiefen Kammern, in denen sie einige ihrer Leuchtsteine an den Wänden angebracht hatte. Cerens Wurzeln stießen durch die Decke und reichten hinab bis in ein Wasserbecken. Die Edelsteine, die sie aus der Schatzkammer holen und hier ins Wasser hatte legen lassen, funkelten am Grund. Viele von ihnen hatten zuvor in magischen Quellen gelegen, aber auch Ceren gab einen Teil der Magie, die sie aus der Erde, der Sonne, dem Wasser und dem Wind zog, in dieses Becken ab. Inzwischen sammelte sich hier unten so viel Magie, dass die Kräfte aus den Becken herausstrahlten und sich auf den Gängen zwischen Boden und Decke spannten.
    Der Fels der Klippe hatte sich als günstig für ihr Vorhaben erwiesen. Er war für die Magie durchlässig wie ein Sieb und behinderte sie nicht. Mit den Gängen, dem großen Saal und den drei Wurzelkammern vermochte er die Magie aufzufangen und zu verteilen, zu sammeln und zu lenken.
    »Du gehst mir aus dem Weg«, sagte eine tiefe Stimme.
    Nerimee fuhr zu der Stimme herum. Ihr Großvater stand in der Tür und schaute die Wurzeln hinauf. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass das alles dein Werk ist.« Er kam näher und setzte sich gemeinsam mit ihr auf den breiten Beckenrand.

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