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Nuramon

Nuramon

Titel: Nuramon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sullivan
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zu sein. So leicht der Torzauber war, wenn man ihn erst einmal durchschaut hatte, so sehr nagte er an den Kräften, wenn man ihn in kurzen Abständen wieder und wieder wirkte. Lyasani legte Yendred die Hand an den Oberarm, während Salyra ihn fragte, ob er eine Pause brauchte. Er schüttelte den Kopf. »Ich möchte wissen, ob wir dem Wegstein näher gekommen sind«, sagte er.
    Nuramon konnte nicht sagen, ob die sanfte Magie, die er weiter westlich auf der anderen Seite der Bergkette wie leises Windpfeifen vernommen hatte, da draußen vor der Höhle auf sie wartete. Er schritt stumm voraus und folgte dem Gang. In einer langen Biegung fand er Tageslicht und trat schließlich vor seinen Gefährten ins Freie. Er wusste nicht, was ihn mehr faszinierte: das, was sich dort unten in diesem hochgelegenen Gebirgstal erstreckte, oder die verblüfften Gesichter von Nylma und den anderen, die hervortraten und beim Blick in die Tiefe erstarrten.
    Es war ein karges Tal, dem die Sonne gnadenlos zugesetzt hatte. Flüsse und Seen, die einst die Grundlage eines fruchtbaren Landes gewesen waren, trugen so wenig Wasser, dass die Stadt, deren Ruinen sich dort unten erstreckten, offenbar zugrunde gegangen war. Vielleicht waren die Menschen, die hier einst gelebt hatten, in die Wälder gezogen, die im Osten in der Tiefe lagen. Die verfallenen Gebäude waren aus dem Sandstein der umliegenden Berge gefertigt und von trockenen Sträuchern, Bäumen und Gräsern umgeben oder gar überwuchert. In der Nähe der winzigen Wasserstellen standen Palmen, abseits davon wirkte alles wie in Angnos auf dem alten Kontinent oder wie am Rande einer Wüste. An den Steilwänden starrten die Fenster und Türen von Höhlenhäusern wie dunkle Augen durch das Hochtal. Die Terrassen an den Hängen waren von trockenem Gestrüpp bewachsen. Es waren gewiss Jahrhunderte vergangen, seit dort Bauern auf den kleinen Höfen ihrem Handwerk nachgegangen waren.
    Die meisten Dächer der Stadt in der Tiefe waren eingestürzt, besonders die der größeren Gebäude, allen voran ein runder Bau, bei dem nur noch der Ansatz einer Kuppel vorhanden war. Breite Hauptstraßen kreuzten sich im Zentrum auf einem riesigen Platz. Sie führten von dem ummauerten Bezirk im Süden zum Bach am Rande der Stadt, der in einem breiten Flussbett dahinrann. Das Geröll im Wasser war einmal eine Brücke gewesen. Jenseits davon erstreckte sich wildes Land, auf dem einige Siedlungen wie Inseln verteilt waren.
    »Wisst ihr, was ich glaube?«, sagte Salyra.
    Nylma nickte und wies über das von Gestrüpp überwucherte Land jenseits des Baches bis zu den Bergen im Norden. Dort gab es gewaltige Höhleneingänge. »Das sind die Minen«, sagte sie. »Davor die Sklavendörfer und die Felder.« Sie zeigte ins Zentrum der alten Stadt und wies dann langsam weiter nach Süden. »Und das da ist gewiss der Tempel der Falschen Götter mit der Kuppel, die einstürzte. Sie haben sie nie wieder erbaut.«
    Nuramon erinnerte sich an jenen Herbst, als Daoramu ihm viel über die Ahnen und deren Befreiung aus der Sklaverei erzählt hatte. Sie hatte ihm gesagt, dass die Herren der Ahnen zu Göttern gebetet hatten, die aber nichts bewirkten. Schon bald hatten die Sklaven sie hinter vorgehaltener Hand als die Falschen Götter bezeichnet. Die Abneigung gegen den Glauben ihrer Herren war so tief in den Ahnen verwurzelt gewesen, dass die meisten Arlamyrier selbst heute noch jede Götterverehrung ablehnten. So hatten die Ahnenpriester von Jasbor in den Predigten inzwischen auch Tjured als Falschen Gott bezeichnet. Die wahren Götter hingegen – wenn es sie überhaupt gab – galten als so weit entrückt, dass sie nicht eingriffen und ein Gebet zu ihnen ungehört verhallte. Die Ahnen jedoch würden ihre Nachfahren erhören und sprachen durch die Träume mit ihnen. So glaubten es die Arlamyrier, und Nuramon schätzte diesen Glauben bei all seinen Zweifeln.
    »Dann ist dies Wuur?«, fragte Yendred mit zitternder Stimme.
    Nylma nickte. »Dies ist die Stadt, aus der unsere Ahnen flohen.«
    »Wuur«, flüsterte Lyasani und schüttelte den Kopf. »Ich hatte es mir nicht so groß vorgestellt.«
    Nuramon spürte, dass einer der Albenpfade in die Tiefe führte. »Auf dem Platz ist ein Albenstern«, sagte er.
    »Wie viele Pfade?«, fragte Yendred wie so oft in den letzten Wochen.
    »Sechs«, antwortete Nuramon. »Keiner davon ragt auf.«
    »Sie standen also nicht mit Albenmark oder der Zerbrochenen Welt in Verbindung«, sagte Yendred und

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