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Nuramon

Nuramon

Titel: Nuramon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sullivan
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Baumgeist zwinkerte. »Ich meine ein Volk, das abseits all eurer Konflikte lebt, deren Feinde nicht eure Feinde sind, die aber ein Jahrhundert darauf warteten, für die Elfenkönigin in den Krieg zu ziehen. Dann sagte Nuramon ihnen, dass der Kampf gewonnen sei. Der Kampf um Albenmark. Ihr müsst an den Ort gehen, wo die Nachkommen von Elfen leben.«
    Und da verstand Nerimee. »Alvarudor!«, sagte sie.
    Nuramon wies auf den Baum neben der grauen Felswand, an die der Wald heranreichte. Ein gerader Stamm, der sich nach zwei Schritten in so enges Astwerk spaltete, dass kein Blick hindurchdrang. Lange, breite Blätter ragten oben heraus und wirkten wie Haar über einem Haupt aus Wurzeln. Es war der gleiche Baum wie jener, den sie in der Zerbrochenen Welt gesehen hatten, jenseits der Pforte in Angnos, die zu Dareen hätte führen sollen.
    Yendred ließ den Wegstein in seinen Beutel fallen und wies die Felswand entlang, wo Tageslicht leuchtete. »Da ist noch so ein Baum«, sagte er.
    Nuramon tauschte Blicke mit den Gefährten. Nach einem Nicken Nylmas wagten sie sich zögernd vor und traten aus dem Halbschatten des Waldes ins Tageslicht hinaus. Vor ihnen erstreckte sich bewaldetes Hügelland, und jeder einzelne Baum sah wie jener aus, den sie in der Zerbrochenen Welt gesehen hatten. Zur Rechten zog sich der Berg in Wellen dahin, und zur Linken lag ein See, aus dem ein Fluss entsprang.
    »Nun müssen wir nur noch die roten Berge finden«, sagte Lyasani und erntete ein Lächeln von Yendred und Salyra.
    »Und wo ist der nächste Wegstein?«, fragte Nylma.
    »Ich spüre nichts«, sagte Yendred und warf ihm einen verunsicherten Blick zu, doch Nuramon nahm seine Hand und drückte sie kurz und fest. Er war stolz auf seinen Sohn, der in den vergangenen Monaten mehr gelernt hatte als er selbst in manchem Leben. Noch aber war seine Lehrzeit nicht vollendet. Es fehlte noch das Gespür für die ganz zarten Regungen, wie den Hauch, der mit dem Duft des Seewassers heranwehte. Nuramon wies voraus. »Irgendwo dort ist ein Wegstein. Und selbst wenn er nicht da wäre: Diese Bäume weisen uns den Weg.«
    »Wie nennen wir die Bäume?«, fragte Lyasani. Das waren Fragen, wie sie Nerimee früher immer wieder gestellt hatte. »Vielleicht Dareenbäume«, schlug sie vor und lachte.
    »Auf den Hügeln wirken die Bäume wie Bestien«, sagte Nylma. »Bestien, die uns erwarten. Wie die Drachen aus deinen Sagen, Nuramon.«
    Die Blicke richteten sich auf ihn. Er schaute jedem seiner Gefährten ins Gesicht, lächelte und sagte schließlich: »Wir nennen sie ganz einfach Orakelbäume.«
    Nach einigen ausgelassenen Tagen in Teredyr führte Nerimee die Händler, die Adligen und die Dienstboten unter dem Geleitschutz von Loramu und einer Kriegsschar der Ilvaru über die Albenpfade in das grüne Tal von Alvarudor, in das der Herbst noch nicht Einzug gehalten hatte.
    Auf den Stufen zum Ratsgebäude kamen ihnen, von den neugierigen Blicken der Leute begleitet, vornehme Männer und Frauen entgegen. Auf ihren blauen Hauben waren dünne Siegel angebracht, die wie ein drittes Auge wirkten. Der Ratsfürst, auf dessen Brust die Silberkette mit den drei Medaillen ruhte, beugte sein Haupt vor Nerimee, begrüßte sie mit Namen und nannte seinen eigenen: Wergor. Nerimee erinnerte sich an ihn. Er war damals, als sie als Kind mit ihren Eltern in der Stadt gewesen war, bei ihnen ein und aus gegangen. Er war der Vogt der kleinen Siedlung unten am Fuße des Gebirges; der Mann, der ihren Vater und ihre Mutter nach Alvarudor heraufgeführt hatte. Ihm hatten ihre Eltern das Elfenhaus anvertraut, und nun war er gewiss siebzig Jahre alt und lächelte ihr munter entgegen.
    »Du kommst, um dein Erbe in Anspruch zu nehmen?«, fragte Wergor.
    »Nein. Ich komme, um zu schauen, ob euer Erbe erblüht ist – und um ein Bündnis zu knüpfen.«
    Wergor grinste und wies zur Seite. Neben einer hochgewachsenen Ratsherrin sammelten sich Männer und Frauen in weiten Roben, die Nerimee erwartungsvoll entgegenblickten. »Das sind die Magier von Alvarudor. Dein Vater hatte recht. Die Magie ist zu den Dornoru zurückgekehrt.«
    Wergor führte sie in den Ratspalast, die breiten Stufen hinauf ins Obergeschoss und dort in den großen Saal, in dem ihr Vater früher Geschichten vorgetragen hatte. In der Mitte war die runde Ratstafel, an der die Stühle der Mitglieder standen. Rasch ausgewählte Männer und Frauen, darunter die Magier von Alvarudor, nahmen ebenso auf den Sitzen am Randes des Saales Platz

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