Nuramon
täuschte – schickte deinem Propheten Mörder und schob uns Alben kindern die Schuld zu. Der letzte Devanthar hat deinen Gott zu seinen Zwecken genutzt. Ihr habt sein Spiel gespielt und euch für seinen Krieg einspannen lassen. Und nun endet das alles.«
Aniscaro grinste verächtlich. Er packte den Stab an seinem Gürtel, hielt ihn Nuramon entgegen und feuerte eine Lichtkugel ab. Nuramon hob die Hand, ohne zu wissen, ob er stark genug war, dem Zauber standzuhalten. Die Kugel traf auf seine Fingerspitzen, ließ den Schmerz in seinen Schädel stechen, prallte zugleich ab und schlug auf Aniscaro zurück. Der Fürst von Helbyrn zuckte, dann rührte er sich nicht mehr.
Nuramon hörte, wie hinter ihm sein Name gerufen wurde. Vor ihm nahmen die ersten Tjuredgardisten ihre Maske ab, ließen sie fallen und staunten ihm entgegen. Er aber fiel zu Boden und verspürte nicht den geringsten Drang, noch irgendeine Bewegung zu tun.
Als er das Gesicht seines Sohnes über sich sah, wusste er, dass niemand, der sich noch ein Herz fassen mochte, an ihn herankommen würde. Er lächelte Yendred entgegen. Er hatte es geschafft. Das Schicksal hatte sich geändert. Seine Kinder würden leben.
Nerimee beugte sich über ihren Vater und starrte fassungslos auf seinen zerschundenen Körper. Die Heilmagie floss einfach durch ihn hindurch, und kein Tropfen Blut war in seinen Wunden. Als Yendred sich ebenfalls an einem Heilzauber versuchen wollte, sagte Nuramon: »Ihr könnt mich nicht heilen.«
»Warum?«, sprach Nerimee. »Warum hast du so viel gewagt?«
Nuramon tastete nach ihrer Hand und erklärte ihnen dann mit müder Stimme, was in der Barinsteinhöhle und bei den Orakeln geschehen war.
»Du hast es für uns getan«, flüsterte Nerimee schließlich, und entlockte ihm ein Lächeln.
»Und wo ist Mutter?«, fragte Yendred leise.
Nuramon wandte den Kopf zur Seite. »Da kommt sie.«
Nerimee stand auf, wischte sich die Tränen ab und schaute nach Westen. Die Geister schwebten umher und halfen den Verwundeten. Bei manchen aber flogen sie unverrichteter Dinge davon. Menschen in hellgrauen Gewändern und umhüllt von einer enormen Macht trösteten die Zurückgelassenen über die Schwelle zum Tod hinweg. Drei dieser Gestalten kamen ihnen entgegen: Ein stämmiger Mann mit blondem Haar schritt neben einer Frau mit dicken Zöpfen einher, die jeden Menschen, den Nerimee je gesehen hatte, um mehr als einen Kopf überragte. Neben ihr erkannte Nerimee ihre Mutter und staunte.
»Das sind die Orakel«, sagte Nuramon.
Der blonde Mann hielt bei einem Helbyrnianer inne, setzte sich zu ihm und strich ihm liebevoll durchs Haar. Die langgewachsene Frau kam mit Daoramu näher.
Nerimees Mutter schloss sie und Yendred in die Arme, dann Nylma, Lyasani und Salyra. Schließlich stellte sie das Orakel als Blireena vor, setzte sich zu Nuramon und fasste seine Hand. »Es ist vollbracht«, sagte sie. »Wir haben unser Schicksal neu geschmiedet.«
Nerimee schaute zwischen ihrer Mutter und ihrem Vater hin und her. Nuramon wurde von einem mächtiger Zauber am Leben gehalten, Daoramu wirkte wie eines der Orakel. Es war, als hätten sich ihre Eltern in ungewöhnliche Gewänder gekleidet, sodass Nerimee sie mit neuem Blick gewahrte. »Was wird jetzt geschehen?«, fragte sie und war erstaunt über ihre zittrige Stimme.
»Dein Vater wird ins Mondlicht gehen«, sagte ihre Mutter und lächelte bitter.
»Es gibt keine Rettung für ihn?«, fragte Yendred.
Das Orakel an Daoramus Seite schmunzelte. »Manche würden das Mondlicht als Rettung betrachten. Aber dein Vater hat die Macht, die die Geister ihm verliehen haben, nicht ganz aufgebraucht. Es wird ein wenig dauern, bis die Magie ihn verlässt und das Mondlicht ihn erfasst und davonträgt. Schließt Frieden, kehrt heim und wartet auf das Ende. Acht Tage bleiben euch gewiss.«
»Acht Tage«, wiederholte Yendred und starrte das Orakel entgeistert an.
Nerimee schaute ihrem Vater in die funkelnden Augen. »Es ist mehr, als wir je hoffen durften«, sagte sie leise.
Ihre Mutter lächelte, wischte sich die Tränen ab und küsste sie auf die Stirn.
Nuramon wandte seinen Blick zu Blireena »Wäre ich auch ins Mondlicht gegangen, wenn ich die Siegel nicht gebrochen hätte?«, fragte er.
»Nein«, antwortete das Orakel. »Du wärst wiedergeboren worden als ein Kind deiner Enkel. Aber mehr sollte ich nicht offenbaren. Denn nun liegt ein neuer Schicksalspfad vor uns allen. Und wir Orakel müssen alle Fäden neu aufnehmen und
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