Nuramon
über ihnen ein weiteres Mal der Donner grollte. »Trag es nicht zu schwer«, flüsterte er ihr zu. »Ich war nie das, was Yargir für dich war. Aber wir haben einander gut getan, und ich liebe dich.« Seine Augenlider wurden schwer. Er verzog das Gesicht und riss die Augen weit auf. »Ich werde euch alle vermissen.«
Lyasani kamen die Tränen, und Yendred ging neben ihr in Hocke und schloss sie in die Armee. Bjoremul zwinkerte ihnen langsam zu. »Und dass mir keiner von euch noch sein Leben lässt!«, sagte er brummend. »In der Sage von dieser Schlacht möchte ich nicht zu viel Konkurrenz haben.« Er lachte und hustete dann Blut »Dorgal ist tot, und vielleicht sehe ich ihn und Varramil auf der anderen Seite wieder. Die drei alten Recken wieder vereint. Das wäre es.« Er lächelte und fasste Nylmas Hand. »Ich werde mit Yargir und Waragir auf dich warten. Komm nicht zu bald.« Nylma küsste ihn, und als sie ihre Lippen von ihm löste, waren seine Augen geschlossen und sein Kopf sank zur Seite gegen Lyasanis Schulter. Sie strich ihm über das Gesicht und weinte.
Nerimee erhob sich langsam und folgte Sawagals Blick. Der Magier starrte nach Westen in den Himmel. Ein feines Netz aus goldenen Fäden spannte sich auf, zugleich strahlten die Albenpfade wieder. Fünfzig Schritte entfernt ging die leuchtende Bahn an ihnen vorüber. Die Lichtfäden zogen sich hoch oben über sie hin und verdichteten sich zu einem Gespinst, das sich immer weiter in die Breite zog. Vom Albenpfad her drang Geschrei zu ihnen herüber, und im nächsten Moment schob sich dicht über dem Boden schwebend ein Geflecht aus Lichtadern heran. In der Ferne jenseits der Albenpfade kroch es bereits den sanften Hang empor, während sich das Lichtnetz über ihnen nun als gewaltige Kuppel wölbte.
Von Westen wehte etwas Magisches näher. »Die Geister!«, riefen einige unter den Wächtern auf Elfisch, doch zwischen diesem Hauch strahlte ein Zauber, den Nerimee besser kannte als jeden anderen. Er war wie ein vertrauter Duft. »Nuramon kommt!«, rief Nerimee. Und rings umher erhoben sich die Stimmen und wiederholten den Namen ihres Vaters.
Lichter schossen von Westen heran. Manche verharrten in der Luft und nahmen eine verschwommene Gestalt an. Sie waren durchscheinend und wirkten menschenähnlich. Sie flogen an den Lichtfäden entlang, schossen über die Köpfe der Streitenden hinweg und drangen irgendwo östlich von ihnen herab.
Eine Gestalt stand unvermittelt neben Nerimee, ein blasses Wesen mit männlichen Zügen, ohne Nase oder Mund und ohne Ohren, jedoch mit großen blassen Augen, größer als die jedes Menschen. Es stand da und starrte auf Bjoremul hinab, bückte sich und strich ihm über die Stirn.
Bjoremul öffnete langsam die Augen und schaute verwundert in das leere Antlitz des Geistes. Dieser wandte sich Tyregol zu; seine Finger verschwanden im Körper des Königs.
Tyregol schrie auf und biss sich auf die Zähne.
Die Gefährten wichen zurück, doch Nerimee stand einfach da und schaute dem Zauber zu, den der Geist wirkte. Eine ungetrübte Magie, die keine Umwege ging, schien einfach aus dem Nichts das zu erschaffen, was dem Körper fehlte.
Mit einem Ruck löste sich das Wesen von Tyregol, erhob sich und wandte sich zu Nerimee um. Es strich ihr mit zwei Fingern über die Stirn, und die Magie durchfuhr sie wie ein Schmerz. Die Macht in ihr, gerade noch erloschen, war mit einem Schlag zurück, und eine Stimme in ihrem Kopf flüsterte: »Die Magie schwindet mit unserem Erscheinen. Ich gebe dir nur, was dir genommen wurde.«
Sie staunte. Die Wächter hatten recht behalten. Und nun würde der magischen Flut die Ebbe folgen. Deswegen war ihr der Zauber beinahe entglitten, und deswegen war ihre Kraft rasch geschwunden.
Der Geist streifte Sawagal, und der Alvarudorer Magier blickte zweifelnd an sich hinab. Als das Wesen auch Yendred über die Stirn gefahren war, wandte es sich mit suchendem Blick um und ging bei Nylma in die Hocke. Es fuhr ihr über die Hand, in der Nylma den Almandin gefasst hielt, und die Kriegerin löste ihre Finger und ließ den magischen Edelstein an der Lederkette baumeln. Der Geist schaute zwischen dem Stein und Nylmas Gesicht auf und ab, nur um dann in die Höhe zu schweben und nach Norden davonzufliegen.
Nylma lächelte.
»Was ist denn?«, fragte Lyasani.
»Er sagte, dass der, der mir den Almandin schenkte, noch am Leben sei.«
»Verdammt!«, fluchte Salyra und wies nach Osten. »Diese Geister heilen auch die
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