Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone
schwenkte seinen leeren Kelch in die Höhe. Die Jungen und Mädchen trommelten mit den Fäusten auf den Tisch und applaudierten. Aranes Hand legte sich auf Scapas.
»Du bist ihr König!«, flüsterte sie ihm zu. Er sah ihr lächelnd ins Gesicht. »König und Königin, so wie wir es immer wollten! Scapa, wir haben es geschafft.
Ich bin eine Königin!« Sie schlang einen Arm um seinen Nacken. »Und du bist ein König …«
In diesem Moment wurde die Hallentür aufgesto-
ßen. Arane fuhr zusammen, auch ein paar andere er-schraken und drehten sich, die Messer und Dolche bereits gezogen, zur Tür um. Aber da stand keine Meute wilder Banditen.
»Cev!« Scapa lehnte sich erleichtert wieder zu-rück. Er hatte ein Bein über die Stuhllehne geschwungen und nippte an seinem Wein. »Hast du die Nachricht unseres Sieges schon verbreitet?«
Der Junge kam wortlos auf den Tisch zu. Kurz blieb er davor stehen, sein zerstreuter Blick wanderte über das wild durcheinander gestapelte Essen. Dann ging er um den Tisch und die Reihen der Jungen und Mädchen herum und stellte sich vor Scapa.
»Was ist los?« Scapa richtete sich auf. »Cev. Was ist passiert?«
Einen bangen Augenblick schweifte Cevs Blick durch die Halle. Der Junge schluckte. »Die Leute erzählen sich was«, sagte er leise. »Seit heute Morgen sprechen sie davon – alle, die Händler und die Wäscherinnen, die Elfen und die Wirte.«
»Wovon?« Scapas Augen wurden schmal. »Was erzählen sie sich, Cev?« Tausend Ängste und Be-fürchtungen bestürmten ihn auf einmal. Hatte Torron Verbündete außerhalb Kesselstadts, die sich nun rä-
chen würden? Mischten sich die Soldaten des Fürsten in die Angelegenheit ein? Lauerte in einem fernen Winkel der Stadt eine verborgene Schar von Torrons Anhängern?
»Es, es gibt … da ist so ein … es gibt einen neuen König«, stammelte Cev schließlich.
»Von Kesselstadt?« Scapa runzelte verwirrt die Stirn.
»Na klar!«, schrie Fesco und deutete auf Scapa.
»Da sitzt er!«
Die Straßenkinder lachten und applaudierten.
»Nein«, erwiderte Cev. »Ich meine – doch. Es gibt einen König, der über die Marschen von Korr gebietet und auch über Kesselstadt.«
Das allgemeine Lachen erstarb. Fragende Blicke wanderten herum.
»Was redest du da?«, fragte Fesco schon halb ärgerlich. »Die Marschen von Korr sind so riesig, dass
… so riesig wie das Meer! Kein König hat jemals über die ganzen Marschen geherrscht. Jeder weiß doch, dass diese Dickwanste, diese Fürsten der einzelnen Städte über die Marschen von Korr gebieten.«
Cevs Lippen wurden schmal. Dann wandte er sich erneut an Scapa. »Ich habe es auch nicht geglaubt.
Aber dann – ich habe sie gesehen. Sie waren da.«
»Wer war da?«, rief jemand.
»Die Krieger des Königs! Ich hab sie gesehen, sie
– es heißt, der König hat sie ausgesandt, um den Fürsten von Kesselstadt zu töten. Er beherrscht ganz Korr und Kesselstadt und alle anderen Städte hat er auch erobert.«
Nun erhob sich ein junger Elf. Obwohl er nicht älter als die anderen sein konnte, war er bereits größer und hatte ein kantigeres Gesicht als jeder Menschenjunge.
»Kein König kann über die ganzen Marschen von Korr herrschen«, widersprach er kühl. »Mindestens ein Drittel vom Land gehört nämlich den Stämmen der Moorelfen.«
Cev starrte den Elfenjungen an, als sähe er einen
Geist. »Das ist es ja … Die Krieger des Königs sind Moorelfen. Und der König ist ihr Kronenträger.«
»Was?«, stieß der Junge aus. Die anderen Elfen begannen wild in ihrer Sprache durcheinander zu rufen. Nach einigen Augenblicken schienen sie sich geeinigt zu haben und der Elf wandte sich mit würdevoller Miene an Cev: »Unmöglich. Kein König der Moorelfen würde je die Macht über Land gewinnen wollen. Der Träger Elrysjars ist stets ehrbar – sonst würde man ihm die Krone nicht überreichen. Du hast dich auf den Märkten verhört!«
»Verhört, sagst du? Und verguckt habe ich mich etwa auch, oder? Du hast ja keine Ahnung«, erwiderte Cev verächtlich. »Der Träger dieser Krone ist ein Mensch.«
Nun verwandelten sich die Elfenjungen tatsächlich in Gespenster: Binnen weniger Sekunden wich die Farbe aus ihren Gesichtern.
Cev fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
»Die Krieger ziehen durch die Straßen. Sie durch-suchen die Häuser und holen alle Moorelfen aus Kesselstadt. Ihnen folgen Männer, Frauen und Kinder und keiner wehrt sich. Nur die, die verstoßen oder verbannt sind,
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