Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone
hellen Augen. Die Lippen mit der kleinen Falte in der Mitte.
Das Mädchen, das Scapa liebte. Schon immer geliebt hatte. Und immer lieben würde.
Sie umarmte ihn stumm. Scapa musste erneut an das Bild im Kerker denken – das grässliche Gurgeln und Würgen …
Doch allmählich verblasste alles Geschehene. Es war so viel bedeutungsloser als Aranes Nähe, ihre Arme, die ihn umschlangen. Was war schon die Erinnerung angesichts ihrer Gegenwart. Was musste er schon wissen über sich selbst, über Arane, wenn er wusste, dass er sie liebte?
Langsam legte Scapa die Hände um ihren Rücken.
Die Grauen Krieger
Scapa schickte noch am selben Morgen seine Mit-streiter aus, um in allen Straßen den Sieg zu verkünden. Jeder Bewohner Kesselstadts sollte es wissen:
Torrons Herrschaft war vorüber. Und der neue Name
– die neuen Namen – lauteten Scapa und Arane.
Während die Jungen und Mädchen den Fuchsbau verließen, prachtvoll in die erbeuteten Hosen und Harnische gekleidet, versorgte ein kleiner Rest die Verwundeten und schickte sie zu einem Kräuterarzt, der sein Geschäft nicht weit vom Fuchsbau betrieb.
Die Gefangenen blieben vorerst in den Kerkern des Fuchsbaus, da niemand so recht wusste, wohin mit ihnen. Vielleicht würde Scapa die freilassen, die um Vergebung baten – auch wenn Arane davon nichts hören wollte.
Auch die Toten mussten sie aus dem Fuchsbau schleppen. Auf Holzbahren wurden die gefallenen Jungen und Mädchen zu den Dächern des Fuchsbaus hinaufgetragen. Die Straßenkinder beobachteten, wie die Flammen die Toten fraßen und ihre Geister mit dem schwarzen Rauch dem Himmel entgegen stiegen. Die gefallenen Männer Torrons wurden auf einen Karren geworfen, den man am Morgen aufge-trieben hatte, und zur Brücke von Grejonn gebracht.
Auf der »Straße der Henker« lehnte man die Toten einen neben den anderen gegen die Brückenpfosten, so wie Torron es angeblich einst mit den Bandenfüh-rern gemacht hatte, die von ihm aus dem Fuchsbau vertrieben worden waren. Kein Mann, keine Frau sagte etwas, als Torrons Leichnam auf das Pflaster sank. Und die Soldaten des Fürsten, die für gewöhnlich die Brücke von Grejonn auf und ab marschier-ten, waren an diesem Morgen gar nicht da.
Es war bereits Nachmittag, als Scapa und Arane jedem ihrer Gefährten seine Belohnung auszahlten.
Großzügig wurde aus den Schatzkammern des Fuchsbaus verteilt; es gab neue Schuhe, kostbare Mäntel, Gürtelschnallen, sogar Haarnadeln, die na-türlich vollkommen nutzlos waren – dazu kam eine Belohnung aus den Speisekammern: Bohnen, Speck, Brot, Nüsse und sogar Feigen und Datteln wurden vergeben. Das Wichtigste aber war das Geld. Fünf Goldmünzen, sieben Silbermünzen und fünfzehn Kupfermünzen bekam jeder – keines der Straßenkinder hatte je so viel in der Hand gehalten.
Als jeder seine Bezahlung hatte, gab es ein Festes-sen in der größten Halle des Fuchsbaus. Zwar besaß sie keine Fenster, doch Torrons Männer hatten sich bereits bemüht, Kerzenleuchter und Fackeln an Decke und Wänden anzubringen, sodass alles wie in flackerndes Gold getaucht war. In der Halle befand sich auch eine Empore, zu der drei Steinstufen hinaufführten; auf dieser Empore ließ Scapa zwei hübsche, schwere Stühle aufstellen. Darauf würden er und Arane sitzen wie König und Königin.
Beim Essen herrschte so viel Freude, dass selbst Scapa, dessen Gesicht ansonsten verschlossen war, offen lachte und scherzte. Die Jungen und Mädchen aßen weit über ihren Hunger hinaus, schließlich gab es Pökelfleisch und Braten, mächtige Brotfladen, so groß wie die Brust eines Mannes, Käse, Obst und jegliche Art von Süßigkeiten. Dazu tranken sie liter-weise Honigwein und Milch; vor Übereifer mussten
sich zwei Jungen und ein Mädchen übergeben. Das minderte aber nicht die ausgelassene Stimmung. Ja, selbst zwischen den Menschen und Elfen, die mitge-kämpft hatten, bestand nichts als fröhliche Gemeinschaft, obwohl man sich zuvor streng gemieden hatte.
»Auf Scapa!«, rief Fesco und schwenkte schon wieder seinen Silberbecher. Er hatte zuviel Wein ge-trunken und war berauscht von Getränk und Sieg.
»Der Herr aller Halunken und Gauner, Menschen und Elfen, Männer und Frauen! Der Herr von Kesselstadt!«
Das Hoch auf Scapa erntete grölende Zustimmung von allen Seiten. Fesco ließ sich auf seinen Stuhl zu-rückfallen und kippte sich den Becher über das halbe Gesicht.
»Auf Arane!«, fiel Fesco dann noch ein, Gesicht und Hals mit Milch übergossen, und
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