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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Clerica. Rut schien unentschlossen. Sunna eilte an die Seite ihrer Freundin und redete in Zeichensprache, Rut flüsterte auf Isländisch zurück. Nicholas verstand nicht mehr als einzelne Worte, doch er merkte, dass das Zwiegespräch zum Streit wurde, ohne dass Rut die Stimme erhob. Schließlich sagte sie: „Ich fühle mich mitverantwortlich, daher werde ich helfen, sofern ich kann.“
    Sunna erhob sich mit Zorn im Gesicht, doch sie nickte ihm zu und klopfte sich auf die Brust. Auch sie war an seiner Seite, wenn auch nur, weil sie Rut nicht allein gehen lassen würde.
    Joana war still geworden und hatte sich kaum gerührt. Nun erhob sie sich. „Nicholas? Ich möchte dich unter vier Augen sprechen.“
    Sie nahm ihren Mantel und den von den Füchsen zerlöcherten Schal vom Haken und gemeinsam traten sie nach draußen. Das typische graue Zwielicht des isländischen Winters lag schwer wie eine Decke über der Straße und schien sogar Geräusche zu dämpfen. Joana ging mit gesenktem Blick und versteckte den Mund hinter ihrem Schal, den sie wie einen bunten Schleier um den Kopf gewickelt hatte. Ihr Schweigen stach ihm ins Hirn wie ein Pfeil, der die Schädelknochen durchdrungen hatte. Sie war strikt gegen seinen Plan, und zwar in solcher Deutlichkeit, dass sie kein Wort sagen musste, um es ihn wissen zu lassen.
    „Was erwartest du?“, fragte er in dem sanften Ton, den er immer anschlug, wenn er sie eigentlich anbrüllen und schütteln wollte. „Hast du eine bessere Idee? Oder nur eine andere? Hast du irgendeine Idee, was wir tun sollen?“
    Sie verneinte mit einem Blick, aus dem Hoffnungslosigkeit sprach. „Dort einzufallen und Demjan zu töten kann es doch nicht sein. Was ist mit den Füchsen? Sie sind unschuldig, aber Demjan wird sie gegen euch kämpfen lassen. Es werden unzählige sterben. Ist dir das völlig egal?“
    Die ehrliche Antwort ersparte er ihr. „Wir haben Tomte. Er wird dafür sorgen, dass möglichst wenig Skröggandi in der Nähe sind, wenn wir uns Choskeih holen.“
    „Mir gefällt das nicht. Überhaupt nicht. Es ist zu gefährlich. Was, wenn du nicht zurückkommst?“
    „Bin ich jemals nicht zurückgekommen?“
    Sie stieß ein Schnauben aus. „Aber jetzt meinst du, es so lange darauf anlegen zu müssen, bis es einmal nicht mehr gut geht.“
    „Vertrau mir.“
    „Dir vertrauen?“ Sie brüllte die Worte fast. Hinter dem Fenster eines Wohnhauses erschien der Schemen eines Menschen, der auf die Straße spähte. „Mit dem Kampf gegen Demjan ist es nicht getan. Der Leviathan wird dich verfolgen, wenn er es erfährt. Ich will nicht, dass du deinen Kopf immer tiefer in die Schlinge steckst und den Henker unnötig provozierst.“
    „Ich soll dich aufgeben?“, fragte er scharf.
    „Sag mir, was du vorhast und sei ehrlich zu mir! Ich will wissen, worauf ich mich einlasse. Hat es etwas mit mir zu tun? Ist es dir deshalb so wichtig, dass ich die Glyphen trainiere, weil du mich für einen Kampf brauchst? Du musst doch einen Plan haben. Sag, dass du verdammt noch mal einen brillanten Plan hast!“
    Dem war nicht so. Die Wahrheit bestand aus einem leeren Blatt Papier, dort, wo eine komplizierte Strategie aufgeschrieben sein sollte. Sein ganzer Plan lautete, Joana am Leben zu halten, doch das war zu erbärmlich, um sie damit zu ängstigen.
    Nicholas wiederholte seine Frage lauter. „Ich soll dich aufgeben. Ist es wirklich das, was du willst?“
    Sie zuckte zusammen und rammte die Hände in die Manteltaschen. Ganz leise kam ihre Antwort. „Ja. Du zahlst zu viel. Mein Leben ist begrenzt. Die Strafen, die man dir antun würde, wären es nicht. Ich will weder die Schuld daran tragen noch verstehe ich, was du dir von mir erwartest.“
    Mit anschwellendem Entsetzen lauschte er ihren Worten. Wie viel Macht mochte Choskeih wirklich über sie haben, dass sie so sprach?
    Sie straffte die Schultern. „Hör auf, dich meinetwegen in Stücke zu schneiden und zu verkaufen. Das bist du mir schuldig!“
    Fassungslosigkeit mischte sich mit unmenschlichem Zorn. Nicholas packte Joana grob an den Oberarmen, zog sie zu sich und verhinderte mit einer Hand an ihrem Kinn, dass sie das Gesicht abwandte.
    „Nichts bin ich dir schuldig“, zischte er und sah sie gegen Tränen anblinzeln. „Gar nichts. Hast du eine Vorstellung davon, was ich alles für dich tue? Ich verrate meine Art. Ich habe meinen Mentor in die schrecklichste aller Höllen gelockt und hatte widerlichen Spaß dabei. Ich scheiß auf meine Ehre und auf meinen

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