Nybbas Nächte
weil das für dich selbstverständlich ist. Du und er, ihr beide vergesst manchmal, dass ihr anderen Arten angehört und unterschiedlich tickt.“ Elias ließ den linken Zeigefinger neben seiner Schläfe rotieren und tippte sich gleichzeitig mit dem rechten an die Stirn, um seine Worte zu untermalen. „Er versucht dich zu verstehen, aber begreift so gut wie nix. Nach all dem, was er über dich und Menschen im Allgemeinen weiß, müsstest du ihm bei der ersten Gelegenheit das Licht ausknipsen.“
„Er weiß, dass ich das nie tun würde“, warf sie empört ein.
Elias grinste bitter über ihre menschliche Naivität. „Ja, aber er versteht deine Beweggründe nicht. Und mal ehrlich, Mädel. Du verstehst es doch selbst nicht. Ihr wisst beide, dass du dich noch immer vor dem fürchtest, was in ihm ist. Du verachtest den Nybbas für das, was er tut. Du verachtest dich selbst dafür, weil du ihn nicht aufhältst, und weil du spürst, wie du ihm ähnlicher wirst. Ein kaltblütiges Monster. Viel absurder geht es eigentlich nicht. Nicholas weiß das und versteht es ebenso wenig, wie du verstehst, was er für dich tut.“ Wieder kitzelte ihn die Lust, sie zu provozieren. Er konnte es einfach nicht lassen, diese Beziehung auf den Prüfstand zu stellen. „Ihr wartet beide nur darauf, das Interesse am anderen zu verlieren.“ Was nicht so schnell geschehen würde, das wusste er selbst.
Sie ging nicht weiter darauf ein. „Er weiß, dass er mir vertrauen kann.“
„Nicholas vertraut niemandem.“ Niemandem so sehr wie dir, fügte er in Gedanken hinzu, aber das war nicht für ihre Ohren bestimmt. Sie war eifersüchtig und das gefiel ihm. Wenn er schon keine Konkurrenz für sie war, so blieb ihm doch die Genugtuung, dass sie ihn als solche sah. Das war besser als nichts. Als Menschkonnte sie kaum verstehen, dass er nie in Konkurrenz zu ihr stünde. Der Platz, den Elias in Nicholas’ Herzen wollte, war kein Ort der Liebe und stand nicht im Konflikt zu dieser. Es hatte einige Zeit gedauert, bis er es selbst begriffen hatte. Elias wollte schlicht und ergreifend Nicholas’ Respekt, das würde ihm reichen. Nicht länger von ihm abgewiesen werden. Körperliche Nähe war nicht mehr als ein Versuch, auszugleichen, dass Elias niemand war, den man respektieren konnte. Bei seinem Körper war das etwas anderes. Der war stark und gut aussehend. Man sah ihm nicht an, dass er ein düsteres Wesen verbarg, welches jederzeit Verrat beging, um den eigenen Hals zu retten. Sein Innenleben allerdings war seit Laureens Tod ein Scherbenhaufen, aus dem er verzweifelt ein Gebilde zu formen versuchte, dass ihm zeigte, wer er eigentlich war. Und warum.
Ja, ein Existenzsinn wäre schon eine feine Sache.
„Du musst mehr mit ihm reden“, fuhr er mit sanfter Stimme fort, bemüht, Joana zu beschwichtigen. „Dich ihm erklären, vor allem was deine Ängste betrifft. Sonst endest du wie ich.“
„Und du glaubst, das macht es besser? Reden?“ Joana gab ein missmutiges Grummeln von sich. Doch sie schien nur noch aufgewühlt, nicht mehr trotzig. „Die Dinge die im Inneren der Seele auf einen lauern verschwinden nicht, wenn man darüber redet.“
„Vielleicht ist es wie mit einem Koffer.“ Elias schwieg bis Joana ihn mit einer fragenden Geste zum Weiterreden aufforderte. „Die Seele, meine ich. Na ja, du packst all deinen Mist da rein, auf den du nicht verzichten kannst. Am Ende ist er so voll, dass du ihn nicht geschlossen bekommst, und darum kommst du nicht vom Fleck. Die Reise beginnt, aber ohne dich, denn du stehst da mit dem verfluchten Koffer, der nicht zu geht. Aber du willst auch nichts zurücklassen.“ Gedankenverloren blätterte er die Buchseiten hin und her. Unruhe schwoll an, weil der Rat, den er da gab, vielleicht mehr für sich selbst bestimmt war als für Joana. „Ich weiß wovon ich rede. Ich will nicht sagen, dass der Mist weniger wird, wenn man darüber redet. Aber man verteilt ihn dadurch neu. Irgendwann entwickelt man eine Methodik, wie man den Koffer zu bekommt.“
„Wenn man sich mit seinem ganzen Gewicht drauf schmeißt, meinst du.“
„Ja genau.“ Elias musste grinsen. „Ohne Gewalt gehen die Scheißdinger nie zu.“
Für lange Zeit blieb Joana still. Dann sagte sie unvermittelt: „Laureen muss eine unglaubliche Frau gewesen sein.“
Ihre Worte schnitten wie Scherben in seine Brust. Er sah fast das Blut darauf glitzern. Nach all den Jahren erfüllte ihr Name ihn immer noch mit diesem hilflosen Schmerz. „Wie kommst
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