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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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verstörte Frau aus dem Land bringen wollte.
    Frau. Auf ihrem gefälschten Pass – dem dritten innerhalb weniger Monate – stand nun der gleiche Nachname wie auf seinem. Ânjâm, Nicholas und Joana Ânjâm. Sie fragte sich, was der Name bedeutete. Er hatte ihr einmal erzählt, dass seine Namen immer eine Bedeutung trugen. Doch sie sprach ihn nicht darauf an. Sie wusste, dass er alles für sie tat. Er selbst wäre vermutlich einfach verschwunden und hätte das Haus, die Leichen und auch die Oldtimer-Werkstatt sich selbst überlassen. Aber er kannte ihre Träume, er wusste, dass die Aussicht auf eine Rückkehr ihr Halt gab. So schuf er die Möglichkeit, ohne ein Wort darüber zu verlieren.
    Ebenso wenige Worte verloren sie über ein Ziel ihrer Reise. Sie hatten sich darauf geeinigt, mögliche Verfolger zu verwirren, indem sie ohne Plan und ohne feste Richtung drauflosfuhren. Dreihundert Kilometer nach Osten, danach hundert Kilometer zurück nach Westen, eine Stunde gen Süden und dann im Zickzackkurs quer durchs Land. Portugal, Spanien, Zwischenstopp in Andorra, schließlich Frankreich. Rockmusik dröhnte permanent aus den Boxen und machte das Schweigen erträglich.
    Eine Übernachtung in einer winzigen Pension in Toulouse, eine weitere Nacht in einem sündhaft teuren Hotel bei Saint Tropez. Ein Sechs-Gänge-Menü zum Dinner und Panoramablick aufs Mittelmeer inklusive. Später eine Absteige, in der die Kakerlaken so groß waren, dass nach Joanas Versuch, sie in die Kanalisation zu befördern, der Duschabfluss verstopfte. Ein Café au Lait, ohne ein Wort in einem Bistro unter dem Eiffelturm getrunken, der sich von Millionen von Lichtern beleuchtet vor einem indigoblauen Abendhimmel abzeichnete. Landstraßen wurden zu achtspurigen Autobahnen und dann zu engen Pässen in den Bergen. Hochhausschluchten verwandelten sich in Dörfer, die aussahen, als hätten sie sich in den letzten hundert Jahren nicht verändert. Weinlaub in allen Schattierungen von Gold, Ocker, Bordeaux und Orange ließ die Plantagen zu beiden Seiten der Straßen wie flammende Felder wirken. Dahinter lagen die Berge, von sattgrünen Wäldern überzogen. Die Lavendeläcker der Provence waren bereits ergraut, dufteten dennoch, und schimmerten im Mondlicht silbern. Wolken quollen über den Himmel und entluden ihren Regen. Graupel prasselte auf die Windschutzscheibe sowie in den Wagen, wenn Nicholas zum Rauchen das Fenster öffnete.
    Sie blieben nirgendwo länger als zwei Nächte. Joana wollte nicht verharren, es trieb sie weiter. Sie fuhr am liebsten selbst und hielt erst, wenn sie so müde war, dass für lange Gespräche keine Energie mehr blieb.
    In abgelegenen Gegenden pausierten sie und Nicholas ließ Joana mit der neu gekauften Beretta Schießübungen machen. Im Wagen verlangte er von ihr, die Waffe auseinanderzunehmen und wieder zusammen-zubauen, wenn er fuhr. Fuhr Joana, sollte sie das Nach- und Durchladen üben, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. Irgendwo besorgte Nicholas eine Armbrust. STRYKER stand auf deren Seite. Joana wunderte sich, wie schwer und umständlich die Waffe in den Händen lag, und was er damit vorhatte.
    „Unhandlich und auffällig“, erklärte Nicholas, während er ihr zeigte, wie man damit anlegte, „aber dafür ist sie lautlos und hat keinen Rückschlag. Die Bolzen bekommen eine Geschwindigkeit von bis zu vierhundertfünfzig Stundenkilometer – sie zerfetzen Knochen, als wären sie aus Pappmaschee. Durch die Spannhilfe brauchst du kaum Krafteinsatz und mit dem Zielfernrohr ist sie eine ideale Waffe auf Distanz.“
    Auf Distanz. Natürlich.
    Joana schoss einen neongelb befiederten Bolzen auf eine nahe Pappel und verfehlte um mehr als zwei Meter. Wen zum Geier sollte sie auf Distanz beschießen? Ihr drängte sich der böse Eindruck auf, dass es hier längst nicht mehr um Selbstverteidigung ging, und dieser Gedanke gefiel ihr ganz und gar nicht.
    Nicholas beobachtete sie kritisch. „Wenn es hart auf hart kommt“, meinte er sardonisch, „dann interessiertdich fairer Zweikampf einen feuchten Dreck. Dann musst du dein Leben retten. Mit allem, was du hast.“
    Nicholas blieb in ständigem Kontakt zu Elias, der nach England geflogen war, um etwas über den Auftraggeber der Inanen herauszufinden. Noch immer traute er Elias nicht. Joana spürte, dass er lieber selbst auf die Jagd gegangen wäre. Nicholas hasste es wegzulaufen, es zog ihn in die entgegengesetzte Richtung. Der Grund, der ihn abhielt, nach England zu fliegen,

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