Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
ist, um eine Kamera aufzuhängen“, drang Alexanders Stimme wie aus weiter Ferne zu ihm durch. „Ich hätte so gerne gesehen …“
Stille.
Der Nebel des Schocks lichtete sich langsam und Kälte leckte an Joanas Haut. Sie schlang einen Arm um sich selbst und hielt sich mit der anderen an der Wasserflasche fest. Es war alles so nah. Der Geruch. Der Lichtschein, der aus diesem Zimmer voller Blut drang und von den Fliesen schien. Der Tod leuchtete aus diesem Zimmer, und so sehr sie sich auch im Schatten versteckte, er würde sie finden. Sie zog sich am Treppengeländer hoch und stolperte die Stufen hoch.
„Pack ein!“, rief sie Christina zu. „Wir verschwinden. Ich muss hier sofort raus.“
Sie holte ihre Tasche, machte am Badezimmer Halt. In eiskaltem Wasser wusch sie ihre Hände, um den Gestank dieses Hauses nicht mit nach draußen zu nehmen. Ihre Augen brannten. Sie kippte sich das Wasser ins Gesicht, immer und immer wieder. Tränen liefen haltlos über ihre Wangen, sie spülte sie fort. Mit dem Wasser kreiselten die Tropfen aus Verzweiflung eine Weile glitzernd durch das Waschbecken, und verschwanden dann gurgelnd im Abfluss. Joana sank kraftlos an die Wand, lehnte das Gesicht an die Kacheln und ließ sich zu Boden rutschen.
Sie wollte es nicht wahrhaben. Es tat so verdammt weh. Es durfte nicht wahr sein. Sollte er doch kommen und es zu Ende bringen.
Als wollte es ihrem innerlichen Schmerz ein Ventil nach außen geben, stach ihr etwas in den Oberschenkel. Sie griff an ihre Hose, und fuhr jäh zusammen. Der Schlüssel. Sein Schlüssel. Sie hatte ihn die ganze Zeit in der Hosentasche gehabt. Ein heißkalter Schauer lief ihren Rücken herab. Unter den Wassertropfen auf ihrem Gesicht bildete sich Schweiß. Vielleicht war es nur der verzweifelte Versuch, die Wahrheiten nicht glauben zu wollen. Vielleicht hatte Christina ebenfalls einen Schlüssel. Das musste es sein.
Aber ein winziger Funke entzündete in ihrem Kopf ein gleißendes Licht.
Was, wenn dies nicht sein Haus war?
Der Gedanke hatte etwas Erleichterndes, auch wenn das bedeutete, dass der wahre Mörder jemand anders war, und es womöglich auf sie abgesehen hatte. Aber das tat zunächst nichts zur Sache. Den Schlüssel in der Faust, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, stürmte sie die Treppen herunter. Sie mied den Blick in den schrecklichen Raum, durchquerte den Lichtschein mit geschlossenen Augen und drückte die Klinke der Haustür runter.
Abgeschlossen.
27
I
m ersten Augenblick war Joana versucht, hysterisch an der Klinke zu rütteln. Der zweite flüsterte ihr, dass das nichts helfen würde. Ruhe zu bewahren dagegen schon. Der Gestank von Blut und Tod war so widerlich, dass sie erneut würgen musste, aber inzwischen kam längst nichts mehr. Sie versuchte mehrmals, Nicholas’ Schlüssel in das Türschloss zu rammen.
Er passte nicht.
Und auch wenn ihre Angst mit jedem vergeblichen Versuch zunahm, wenn ihre Hände fahriger wurden und zitterten, so hätte sie vor Erleichterung doch beinah geweint.
„Nur ein Dämon“, stammelte sie leise vor sich hin. „Ich liebe nur einen Dämon. Keinen wahnsinnigen Massenmörder.“ Wie hatte sie ihm derart misstrauen können? Der Schock, tröstete sie sich selbst. Sie war überhaupt nicht bei sich gewesen.
Da stockte ihr der Atem. Die Clerica. Verdammt, das durfte nicht wahr sein. Sie hatte Nicholas die Clerica auf den Hals gehetzt.
„Joana?“
Sie fuhr herum. Ihr Herz übersprang einen Schlag und donnerte dann schmerzhaft gegen ihre Rippen. Christina stand keine drei Meter von ihr entfernt. Auf ihren Lippen lag ein schmales Lächeln. In ihrer linken Hand das Messer. „Wo willst du denn hin?“, fragte sie ruhig. „Gefällt dir sein Haus nicht?“
„Das ist nicht sein Haus“, gab Joana zurück und suchte mit den Augen nach einem Gegenstand, mit dem sie sich hätte verteidigen können.
Aber zu ihren Seiten war nichts, hinter ihr nur die Tür und vor ihr eine gefühlsberaubte Psychopathin. Nur Nicholas’ Schlüssel war da, er grub sich tief in die Haut ihrer Handflächen, weil sie die Faust so krampfhaft darum ballte.
Vielleicht brauchst du ihn mal
, hatte er gesagt. Gott, sie musste hier raus und ihre Tante aufhalten.
„Warum tust du das? Was hab ich dir getan?“
„Nichts. Überhaupt nichts.“ Chistina drehte langsam das Messer zwischen den Fingern, sodass das Licht darauf spielte. „Ich will nur zurück, was mir zusteht. Das, was er mir weggenommen hat.“
„Gefühle?“ Joana
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