Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
trotz deinem Desinteresse an unserer Geschichte hoffentlich weißt, steht der Luzifer für den Hochmut, der Mammon für den Geiz. Der Leviathan hat sich den Neid zu Eigen gemacht, der Satan den mächtigen Zorn. Der Asmodeus steht für die Wollust, der Baal-Zebul für die Völlerei und der Belphegor für die Trägheit. Du kannst dir vorstellen, dass des Belphegors Reich als erstes stürzte. Faulheit überdauert keinen Krieg.“
Lillian sah Nicholas lächeln, doch es war von höflicher Art und zeigte kein Amüsement. Seine Kiefermuskeln waren angespannt.
„Die Fürsten machten die anderen Dämonen Mithilfe eines Rituals zu Untertanen, richtig?“
„Richtig.“
Die Flugbegleiterin trat heran und Nicholas gab ihr ein Zeichen, wieder zu gehen.
Lillian sprach weiter. „Ein Austausch des Blutes und der energetischen Kraft des Fürsten. Es lässt den Auserwählten erstarken, verleiht ihm Macht. Und bringt ihn gleichzeitig dazu, jedem Befehl seines Herrn blind zu folgen.“
„Ein Sklave.“ Nicholas Stimme war nur ein Flüstern, sein Gesicht wurde blass. „Wurdest du je …“
Lillian schluckte und ließ ihren Blick aus dem kleinen Fenster schweifen. „Ich habe die alten Zeiten gesehen, doch hielt ich mich damals weit abseits anderer. Ich bevorzugte die Gesellschaft meiner Katzen. Die Fürsten sind seit Jahrhunderten Geschichte, ihre Armeen zerschlagen und verstreut. Ein jeder Dämon, der nicht bereit war, sich neuen Zeiten und neuen Rastern anzupassen, wurde gebannt oder vernichtet. Nur Gemälde und Statuen erinnern noch an die Jahre der Vergangenheit. Die Zukunft jedoch bewegt sich immerzu.“
„Aber es gibt sie noch … die Sklaven der Fürsten“, beharrte Nicholas.
Eine steile Falte auf der Stirn malte Besorgnis in sein Gesicht. Lillian fuhr mit dem Daumen darüber, ehe sie Antwort gab. Die kleine Berührung weckte in ihr die Sehnsucht nach dem machtvollen Elixier, das unter der Haut floss. Es war lange her, dass sie dieses dunkle, so vertraute Dämonenblut geschmeckt hatte. Zu lange.
„Ein paar wenige“, flüsterte sie und zog ihre Hand zurück. „Der Paymon ist ganz sicher ein Sohn Luzifers. Aber warum beunruhigt dich das?“
Er gab keine Antwort. Lillian schauderte leicht vor Verlangen, als Erkenntnis sie durchfloss. Sie würde erfahren, was er fürchtete. Die letzten Steine, die die Straße zu ihrer nahenden Vision pflasterten, waren sie selbst: Er, sie … und sein Blut.
12
D
ie seelische Ohnmacht erbarmte sich nicht. Sie weitete sich nicht auf ihren Körper aus.
Joanas Herz schlug und trieb rhythmisch Blut durch ihre Adern, versorgte ihr Hirn mit Sauerstoff und hielt sie damit am Leben. Es hätte sie nicht gekümmert, wenn all das einfach ausgesetzt hätte.
Zwei Tage verbrachte sie in einem Zustand, von dem sie aus ihrem Studium wusste, dass man ihn als somatisierte Depression bezeichnete. Ihr Körper schmerzte, als wäre jeder Knochen, jedes Gelenk und jeder Muskel gezerrt, gestaucht oder überdehnt. Ihre Atmung rebellierte und sie jagte so viel Asthmaspray in ihre Lungen, dass sie sich davon berauscht fühlte. Das größte Problem an der Sache war, dass es sie nicht im Geringsten interessierte. Weder wollte sie aufstehen, noch schlafen, essen oder trinken. Alles, was ihr wichtig schien, war ihre Ruhe und das Alleinsein. Sie wollte sich der Leere ergeben, die sie fest im Griff hielt.
Ihre Mutter nötigte sie zur Nahrungsaufnahme, meldete sie bei der Taxizentrale krank und ließ ihr schließlich ein leichtes Schlafmittel da. Joana nahm kaum ein Wort wahr, von dem was Mary sagte. Jedoch bemerkte sie, dass ihre Mutter besorgt und wütend war. Es war so bedeutungslos wie alles andere.
Ab und an verfiel sie in einen von hektischen Bildern gestörten Schlaf. Wenn sie aufwachte, war sie schweißgebadet und zitterte. Die Träume verflüchtigten sich wie vom Wind verwehte Rauchwolken, nichts von ihnen war beim Erwachen mehr greifbar. Doch Joana war nicht sicher, ob sie sich wirklich nicht erinnern konnte. Vielleicht verschleierte ihr Unterbewusstsein die Träume auch nur sorgsam, weil sie von jener Art waren, die eine ernsthafte Gefahr für den Rest ihrer angeknacksten Psyche bedeuten würden.
Die Gedanken kamen und gingen, Lethargie trieb in ihrem Kielwasser und wusch alles andere fort.
Benedikt kam am Abend des zweiten Tages vorbei, brachte eine Schale mit Obst und reichlich Schokolade. Er sprach von einer seltsamen Art von Virus, mit dem sie sich wohl bei ihm angesteckt haben musste, denn
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