NYLONS Mademoiselle hat ein Geheimnis - Erotische Phantasien
was er niemanden wissen lassen wollte. Dass er Irene nicht geliebt hatte. Nicht richtig jedenfalls.
Das Rauschen des Regens tat irgendwann seine Wirkung.
Er schlief auf der Liege ein.
Mit den ersten Sonnenstrahlen wachte er auf. Verblüfft registrierte er, dass er alles andere als zerschlagen war. Die erwartete Schwäche war ebenso wenig da wie die schweren Regenwolken der Nacht. Es war in jeder Hinsicht ein vollkommen neuer Tag.
Kapitel 2
Die Rezeption entpuppte sich als Holztisch im ehemaligen Speisesaal. Dahinter war der Frühstücksraum angeschlossen, in dem eine dicke Französin Brotkörbe richtete und ein kleines Büfett mit Eiern und Obst bestückte. Durch eine weit geöffnete Tür sah er eine Holzterrasse, auf der schon Hotelgäste saßen. Jan bekam das letzte freie Zimmer. Es überstieg sein Budget eines deutschen Rentners bei weitem, aber er war nicht in der Stimmung, auf den Preis zu achten. In einem eigenartigen Hochgefühl unterschrieb er ein Formular, doch er musste noch eine Stunde warten, bis das Zimmer bezugsfertig war.
Sein Französisch war vollkommen eingerostet, und er versuchte es auf Englisch, denn er wollte der jungen Frau hinter der Rezeption unbedingt etwas mitteilen:
„I was here, long time ago“, sagte er. Sie sah ihn etwas verständnislos an.
„Yes, yes, Nineteenfiftyseven.“
Die Frau nickte höflich. Jan war sich nicht sicher, ob sie ihn verstand.
Er ging nach draußen und ließ sich Frühstück bringen. Die Tische standen auf einer kleinen Holzterrasse mitten im sandigen Pinienwald. Der kühle Wind brachte das Rauschen des Meeres mit. Ihn fröstelte, und seine Vorfreude auf etwas Unbestimmtes wurde plötzlich kleiner. Undeutliche Bilder aus diesem lange vergangenen Sommer tauchten in seiner Erinnerung auf …
Die dicke Französin, die ihm den Kaffee einschenkte, schien seine gedrückte Stimmung zu bemerken, denn als sie das nächste Mal an seinen Tisch kam, hatte sie etwas in der Hand. Eine gerahmte Schwarzweißfotografie.
„À l’époque c’était une Colonie de Vacances “, sagte sie lächelnd, und Jan, der seit Jahrzehnten kein französisches Wort mehr mit seinem Mund gebildet hatte, versuchte es erneut.
„Je sais“, sagte er, und es fühlte sich wunderbar an.
Die Frau stellte das Bild kurzerhand auf den Stuhl neben ihm und meinte aufmunternd: „Regardez!“
Jan nahm den Rahmen und betrachtete das Bild. Und da sah er sie.
Obwohl er saß, wurden ihm augenblicklich die Knie weich, so weich wie der Haferbrei, den sie damals den Jungen zum Frühstück serviert hatten.
Seine Erinnerungen an den Sommer in Messanges waren durchaus deutlich und klar, er hatte sie nur lange Zeit verdrängt. Jetzt, beim Anblick des Bildes, kehrten sie schlagartig zurück. Mit überwältigender Eindringlichkeit.
Es war ein Foto, das alle Kinder des Sommers ’57 beim Frühstück zeigte. Hagere, freudlose Gesichter, im Mittelgang zwischen den Tischreihen drei Lehrerinnen mit großen Töpfen, die den Frühstücksbrei austeilten. Alle Jungen blickten misstrauisch in die Kamera. Nur einer nicht. Einer starrte die Lehrerin an, die neben ihm stand. Und dieser Junge war er.
Er hob das Bild näher ans Gesicht. Wie dünn er damals gewesen war. Das kurzgeschorene Haar, die grauen, gestreiften Kittel. Wie Sträflinge sahen sie alle aus. Die Lehrerinnen waren nicht besser dran. Sie strahlten etwas Abgekämpftes aus, sogar die Jüngste von ihnen. Die Gesichter müde und ernst und aus heutiger Sicht ohne jeden Reiz.
Dann war er plötzlich da, der Name der Frau, die im Mittelgang zwischen den Jungen stand und nicht zu bemerken schien, dass einer von ihnen nur Augen für sie hatte. Im gleichen Moment meinte er auch die längst vergessenen Gerüche wieder wahrzunehmen. Angebrannter Haferbrei, Salzwasser, nasse Schuhe, Holz. Auf einmal befand er sich wieder mitten im Sommer 1957. Mit den ungeliebten Spielkameraden, dem vollgestopften Schlafsaal, dem Heimweh und …
… Mademoiselle.
Mademoiselle Eva Mandorle.
Sie war Betreuungslehrerin und nur 5 Jahre älter als die Jungen. Jan war damals 15 gewesen. Sie bediente bei Tisch, sah nach, ob die Kinder abends alle in ihren Betten lagen, und hatte die Aufsicht über den Schlafsaal. Sie war eine schöne, aber gleichzeitig etwas unscheinbare Frau. Wie eine Blume, die nur ein wenig aufgeblüht war, weil der Nährboden nichts hergab. Sie trug das dichte, schokoladenbraune Haar in geflochtenen Zöpfen um den Kopf gewunden. Bei anderen Frauen mochte das
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