NYLONS Mademoiselle hat ein Geheimnis - Erotische Phantasien
bieder wirken, aber bei Mademoiselle Mandorle sah es einfach nur sehr anmutig und exotisch aus. Sie hatte moosgrüne, stille Augen und einen breiten Mund, der jedoch viel zu selten lächelte.
Die meisten Jungen wichen ihren Blicken aus. Nicht weil sie böse waren. Es lag sogar eine eigenartige Güte in ihnen, aber gepaart mit den strengen Regeln, die Mademoiselle Mandorle aufrecht hielt, wurde diese Güte zu etwas, hinter dem sich eine Forderung zu verbergen schien, und das verwirrte die Jungen. Niemand konnte sie einschätzen. Wenn sie Wanderungen in den Wald unternahmen, lief sie ganz hinten, um aufzupassen, dass niemand verlorenging. Wenn sie auftauchte, verstummten alle und senkten schuldbewusst die Köpfe, auch wenn gar nichts Verbotenes passiert war. Wenn sie im Raum war, wurden die lautesten Prahler unter ihnen klein und verschämt. Irgendetwas umgab sie wie eine Mauer, an der sie alle abprallten.
Warum hatte er sie so gemocht?
Das Bild, das eine Antwort auf seine Frage bereithielt, versteckte sich ganz hinten in seinem Kopf. Er erschrak, als ihm bewusst wurde, wie sehr es in die Tiefen seines Bewusstseins gesunken war. Als es nun deutlich vor ihm stand, seufzte er laut, und die anderen Touristen schauten besorgt zu seinem Tisch. Plötzlich wollte er alleine sein mit seinen Erinnerungen. Er erhob sich und trat auf die lange Holzgalerie, die um das ganze Gebäude herumführte. Wo der alte Eingang zum Schlafsaal war, gab es einen Durchgang zum Pool und zum Garten, und da stand eine alte, verwitterte Schulbank. Das Hotel spielte offensichtlich damit, die Relikte aus dieser Zeit auszustellen, den Geist der alten Ferienkolonie wachzuhalten. Jan zwängte sich auf die schmale Bank. Er war schlagartig müde und wäre gern auf sein Zimmer gegangen. Aber dann sah er, dass in dem Durchgang eine große Collage unterschiedlicher gerahmter Fotografien hing. Sein Blick streifte über die Gruppenbilder der Jungen, die bis in die späten achtziger Jahre für die Ferien hierhergekommen waren. Er sah die Schwarzweißbilder der sechziger Jahre, die gelbstichigen Aufnahmen der Siebziger, den sich wandelnden Kleiderstil der Kinder und Erzieher. Es gab auch richtig alte Aufnahmen aus den Zwischen- und Nachkriegsjahren. Doch dann blieb sein Blick an einem Bild direkt in der Mitte hängen. Es zeigte die Kinder aus dem Sommer ’57 beim Wandern im Wald. Jan war zu erschöpft, um aufzustehen und es sich näher anzuschauen. Aber er erinnerte sich jetzt auch sehr deutlich an diesen Tag.
Es war der Tag, an dem er entdeckte, dass es an Eva Mandorle etwas gab, das die anderen Lehrerinnen nicht hatten.
Kapitel 3
In der Nacht war wieder ein starker Regen gefallen, und die sandigen Wege im Pinienwald waren voller Pfützen. Es war zu kalt für den Strand, und die Jungen waren alle schlechter Laune, denn die langen Wanderungen, deren einziger Sinn zu sein schien, sie alle müde zu machen, waren unbeliebt. Es war seine zweite Woche im Ferienlager, und Jan fühlte sich schlecht. In dem überfüllten Schlafsaal zwischen den Geheimnissen, dem Getuschel und den Gerüchen der anderen Jungen konnte er nicht schlafen. Er vermisste seine Mutter und seine Schwester. Das einfallslose Essen schmeckte ihm nicht, und er war erschöpft von den anstrengenden Spielen am Strand, der strengen Meeresbrise und der Eintönigkeit der Tage. Noch drei weitere Wochen war er zu diesem Leben verdammt, und München schien ihm mittlerweile so weit weg wie ein anderer Planet. Warum waren seine Eltern nur auf die Idee gekommen, ihn so weit fortzuschicken, nur weil der Vater geschäftlich oft in Bordeaux zu tun hatte, Jan und seine Schwester seit früher Kindheit Französischunterricht hatten und die Familie auch oft nach Frankreich reiste? Es gab doch am Starnberger See auch Ferienheime!
Die anderen Jungen nutzten die langen Spaziergänge im Wald dazu, ihre kleinen Kriege auszufechten, die Jüngeren zu quälen und sich Geheimsprachen auszudenken. Jan war bei alldem nur halbherzig dabei. Er lief am Rand und fiel immer weiter zurück.
Und dann geschah es. Jan stolperte über eine Wurzel und stürzte. Die anderen waren längst hinter einer Wegbiegung verschwunden, niemand hatte etwas bemerkt. Und so war es Mademoiselle Mandorle, die als Erste bei ihm war. Sie sah gleich, dass er sich nicht ernsthaft verletzt hatte.
„Na, das war ja nicht so schlimm“, sagte sie erleichtert und reichte ihm die Hand.
Aber Jan blieb liegen. Nicht weil ihm etwas weh tat. Sondern weil er
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