Nyx - House of Night: Das Begleitbuch (German Edition)

Heiden orientiert als am historischen Vorbild der Priesterin.
    Die Geschichte zeigt, dass Priester ebenso wichtig bei der Verehrung von Göttern und Göttinnen waren wie Priesterinnen, und auch in den meisten heidnischen Gemeinschaften wird beiden diese Ehre zuteil. Doch welche Aufgaben erfüllten die Priester und Priesterinnen der Antike? Und wie hat sich die moderne Priesterin seither entwickelt?
    In allererster Linie diente die Priesterin ihrer Göttin. Angesichts der schieren Menge von Göttern, Tempeln und Glaubensrichtungen kann es keine eindeutige Antwort auf die Frage geben, worin der Dienst der Priesterin bestand – bei diesem Multiple-Choice-Test gibt es kein einzelnes „korrektes“ Kreuzchen.
    Zu den heiligen Aufgaben einer Priesterin konnte beispielsweise gehören: Rituale auszuführen, um der Göttin zu huldigen, die Geschäfte eines Tempels zu führen, als heilige Hure zu fungieren, in den Krieg zu ziehen, Kranke zu heilen, Hungernde zu speisen oder Verstorbene auf die Reise ins Jenseits vorzubereiten. Eines der bekanntesten Rituale (das in einer ganzen Reihe von Kulturen existiert, aber vor allem mit den Sagen und Lehren der Kelten in Verbindung gebracht wird) ist das
heiros gamos
. (Der griechische Begriff steht für die heilige Hochzeit zwischen Gott und Göttin.)
    In zahlreichen heidnischen Religionen (die des keltischen Kulturkreises sind vielleicht die bekanntesten) steht das
heiros gamos
für die Vermählung des Königs mit seinem Land. Das Land wurde durch die Herrschaftsgöttin verkörpert – einer Göttin, die Macht über eine bestimmte Gegend oder ein Volk hatte. Der zum König Ausersehene musste eine ganze Reihe physisch anstrengender Aufgaben erfüllen, um zu beweisen, dass er in der Lage war, als König zu herrschen. Wurde er für tauglich erklärt, so vollzog der Königsanwärter rituellen Sex mit der Priesterin, die die lokale Herrschaftsgöttin verkörperte. Dabei erfolgte die Vermählung mit dem Land. Dies war ein bindender Schwur, der die Loyalität des Königs zu seinem Volk und zu dem Land, über das er herrschen würde, festigen sollte.
    Im modernen Heidentum unterstützt die Priesterin (und/oder der Priester) die Riten einer kultischen Feier. Sie sorgt dafür, dass die Energie gleichmäßig fließt, bündelt die Kraft der Magie, achtet darauf, dass niemand den Kreis stört und leitet so das Ritual – ganz so, wie wir es auch aus den H OUSE OF N IGHT -Romanen kennen. In manchen Traditionen verkörpert die Priesterin auch die Göttin, der gehuldigt wird, und manchmal führt sie dabei gemeinsam mit dem Priester eine symbolische Form des
hieros gamos
durch, bei der ein Dolch für den Phallus des Gottes steht und ein Kelch den Schoß der Göttin repräsentiert. Bei diesem Ritual senkt sich die Klinge in den Kelch und verkörpert so die sexuelle Vereinigung.
    Nicht alle modernen Priesterinnen verehren nur eine einzige Göttin und manche dieser Göttinnen tragen nicht einmal einen bestimmten Namen. Eine ganze Reihe Priesterinnen – besonders Angehörige der Wicca-Religion – verehren eine nicht näher bestimmte „Erdmutter“ oder „Mondgöttin“. Aber es gibt auch viele, die – wie ich selbst – einem bestimmten Gott, einer Göttin oder einer Gruppe von Göttern verpflichtet sind. Doch moderne Heiden treten fast immer in eine persönliche Verbindung mit den Göttern. Dabei finden wir heraus, was sie von uns möchten und was wir für sie tun müssen.
    In der H OUSE OF N IGHT -Reihe lernen wir den Kult der Göttin aus Zoey Redbirds Blickwinkel kennen. Sie beschreitet den Pfad einer typisch modernen Hohepriesterin: Sie wird von ihrer Göttin auserwählt, nimmt an ihrem ersten Ritual teil und erfährt nach und nach eine Ausbildung mit dem Ziel, Hohepriesterin zu werden. Wie die Priester und Priesterinnen des Altertums ist sie die Repräsentantin der Göttin auf der Erde, handelt in ihrem Namen und teilt anderen ihre Wünsche mit. Doch das ist nicht die einzige Rolle, in der wir Zoey in den H OUSE OF N IGHT -Romanen erleben. Und damit kommen wir zu einer der am weitesten verbreiteten Vorstellung: der dreifachen Göttin. Wir werden untersuchen, wie ihre drei Gesichter durch unterschiedliche Figuren in der Romanreihe verkörpert werden.
DIE DREI GESICHTER DER GÖTTIN
    Ein weit verbreitetes Motiv in der Tradition der Göttinnen-Kulte zeigt sie als Frau mit drei Gesichtern: als junges Mädchen, Mutter und alte Frau. Das Leben jeder Frau wird durch diese drei Phasen bestimmt, und