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O diese Rasselbande

O diese Rasselbande

Titel: O diese Rasselbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Ditter
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hat über Mädchen noch nie nachgedacht. Während seiner langen Krankheit hat er sie nur von seinem Fenster aus auf der Straße beobachten können. Er fand sie albern und nichtig. Jedenfalls gibt es - weiß Gott - wichtigere Dinge als sie. Während der beiden Jahre, die ihn, durch eine Lähmung nach schwerer Diphtherie, an den Lehnstuhl fesselten, hatte er sich in seinen einsamen Stunden glühend einen Freund gewünscht, und oft hatte er mit brennenden Augen hinausgesehen, wenn die Jungen unter seinem Fenster vorbeigegangen waren. Es war mancher dabei, der ihm gefallen hätte. Immer wieder hatte er davon geträumt, wie es sein würde, wenn er unter ihnen weilen könnte. Nicht zuletzt hieß ihn die Sehnsucht nach Altersgenossen immer und immer wieder seine ganze Energie zusammennehmen, um Gehversuche zu machen, und langsam hatte er es geschafft. Endlich konnte er, wie sie, eine Schule besuchen und sich frei unter ihnen bewegen. Und dennoch war es viel schwerer gewesen, sich einen Freund zu gewinnen, als Helmut gedacht hatte. Er besaß eine schnelle Auffassungsgabe und eine große Phantasie. Beides hatte sich durch seine lange Einsamkeit noch mehr entwickelt. Das unterschied ihn von seinen Kameraden, die sich nicht die Zeit genommen hatten, so viel zu lesen und zu grübeln wie er. Er war über sie hinausgewachsen, und oft kam es vor, daß er anders empfand als sie. Er begriff manchmal nicht, daß sie ihn nicht verstanden. Irgendwie kam er nicht ganz an sie heran oder sie nicht an ihn. Helmut weiß nicht, was von beiden richtiger ist. Er fühlt, daß etwas fehlt, daß es nicht so ist, wie er sich eine Freundschaft gedacht hat. Aber nur er fühlt es, die Jungen hätten wieder nicht gewußt, was er meint, hätte er sich einem von ihnen anvertraut.
    Die Jungen ließen sich von seinen Ideen und seinem Temperament mitreißen. Er wurde bald ihr Klassensprecher, ihr Anführer und die Triebkraft ihrer Einigkeit. Er hatte 23 Kameraden auf Gedeih und Verderb zusammengeschlossen, und dennoch gab es Stunden, in denen er glaubte, so einsam zu sein wie früher. Er war dann mit sich selbst unzufrieden. Und nun war dieses Mädchen aufgetaucht, und er hatte die Klasse in geschlossener Front gegen sie gestellt. - Und wie verhielt sie sich? Sie war nicht zimperlich, sie redete wie eine vernünftige Person; sie heulte nicht hysterisch, und es waren bis heute noch keine Anzeichen vorhanden, daß sie als Mittelsmann von den Paukern oder dem Rex gebraucht wurde.
    Und heute?!
    War es nicht geradezu erstaunlich, wie sie mit dem Fridolin fertig geworden war, - sie, ein Mädchen! Sie mußte ein besonderes Mädchen sein, das stand nun für Helmut fest, und es war ihr Unrecht geschehen, das stand auch fest. Als anständige Kerle mußten sie hingehen. Das seid ihr mir schuldig, hatte sie gesagt. Jawohl, das waren sie ihr schuldig.
    Auch Fips verzichtete auf seine Lieblingsbeschäftigung, das Rhabarbergemurmel in allen Tonarten durchzuprobieren. Die fünf Falten, die sich quer über seine Stirn zogen, zeigten, daß er angestrengt nachzudenken hatte. Als Sprecher der Stadtgruppe würde er zuerst zu reden haben. Die Silke ist in Ordnung, das ist klar, aber hier zu suchen hatte sie nichts, das ist auch klar. Aber warum hat sie hier eigentlich nichts zu suchen? Es ist weder etwas angezeigt worden, noch störte sie sonst jemanden. Und eine glockenhelle Stimme hat sie, das hat Fips neulich schon in der Gesangstunde herausgehört. Die möchte er mal in einem dreistimmigen Chor mit der Oberstimme herausstellen. Vielleicht: „Freude schöner Götterfunken“. Fips kann ganz deutlich hören, wie das klingen müßte. Er legt den Kopf etwas auf die Seite und schlägt andeutungsweise den Takt mit dem Bleistift. Ja, so müßte das klingen, und hier müßte sie einsetzen, ganz hell, ganz hoch, so wie sie neulich gesungen hat. -
    Ach so, es geht ja hier nicht um das Singen, es geht ja darum: fahren wir hin oder fahren wir nicht hin? -Wir fahren hin. Warum soll man sich das nicht mal ansehen? Was hat sie gesagt? Ein Zimmer in ’ner Burgruine mitten im Wald! Das war ja toll, hat unsereiner noch nie gesehen. Und auf ’nem Pferd will sie reiten im Stehen, wie ’ne Zirkusmaid. Ein bißchen viel auf einmal, was man da glauben soll, von der Schießerei ganz abgesehen. Das hatte keiner von den Jungen, auch die nicht, die auf dem Lande wohnten. Die können zwar alle mit den Pferden umgehen, klar - aber wer käme auf den Gedanken, auf einem Pferderücken stehend auf’s

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