O diese Rasselbande
Sie bilden zwei Halbkreise um Helmut, der auf dem Katheder stehengeblieben ist. Ihm am nächsten formt sich der kleine Halbkreis der Stadtjungen mit Fips in der Mitte, dahinter nehmen die Landjungen mit Onkel als ihrem Sprecher Aufstellung.
„Ich eröffne hiermit die Beratende Versammlung“, beginnt Helmut, „die Stimmen sind vollzählig. Wir wollen heute darüber entscheiden, ob wir die Einladung unserer Klassenkameradin Silke Braun annehmen oder nicht. Was hat Fips dazu zu sagen?“
Die Verhandlung wird kürzer, als man noch vor einer Stunde gedacht hat. Die neue Sensation des eingesperrten Steguweit und die Vertuschung der Spuren hat das Interesse der Jungen mächtig gefesselt. Außerdem sind sie immer in leichter Aufregung, es könnte sich plötzlich die Tür auftun und irgend etwas Unvorhergesehenes eintreten. Fips ist also kurz und bündig dafür.
Um so energischer ist Onkel dagegen, aber auch seine vorgesehene, lange Rede ist merklich kürzer.
Ob sie denn nicht sehen, daß das Mädchen sich nur anbiedern wolle. Wie sie sich wohl nachher verhalten sollten, wenn sie einmal eine Einladung von ihr angenommen hätten, und seit wann es üblich wäre in der Rasselbande, daß einmal gefaßte Entschlüsse wieder umgeworfen würden. Er sei jedenfalls strikte dagegen, daß, nur weil hier eine Langhaarige herummime, die Statuten nicht mehr ernst genommen zu werden brauchten.
„Ich melde mich zur Diskussion", sagt Helmut.
„Kein Einwand“, erwidert Fips.
Er fände, entgegnet Helmut, daß es ganz unverbindlich für die Rasselbande sei, wenn sie der Aufforderung der Braun nachkämen. Dadurch brauchten keine Entschlüsse umgeworfen werden. Sie hätte nur Rechtfertigung verlangt, und die könnten sie ihr geben. Außerdem könne es durchaus vorkommen, daß die Beratende Versammlung auch mal eine Fehlentscheidung fälle, schließlich sei die Rasselbande ja nicht allwissend. Für feige hielte er es jedoch, an einer falschen Entscheidung festzuhalten, nur, weil sie einmal gefällt wurde. „Jeder Mensch kann sich irren, auch wir“, schloß er.
Aber nun schwoll Onkel doch der Kamm.
Ob er mit der „Fehlentscheidung“ vielleicht meine, daß man den Beschluß, die Langhaarige innerhalb von vier Wochen wieder aus der Klasse zu bringen, rückgängig machen wolle. Dann sollten sie lieber die Rasselbande gleich auflösen, dann würde nichts mehr aus ihnen, denn wo die Weiber auftauchten, da wird die Disziplin locker. Die hätten ihre neugierigen Nasen nicht in Jungenangelegenheiten zu stecken.
„Am Anfang macht jede Langhaarige einen guten Eindruck“, sagt der Lebensweise noch.
„Melde mich zur Diskussion“, sagt Fips.
„Kein Einwand“, sagt Helmut.
Diese Art von Verhandlung ist von Anfang an festgelegt worden. Helmut hatte die Regeln dazu genau ausgearbeitet, und die Jungen halten besser an ihnen fest als mancher Abgeordnete im Staate der Großen.
„Sprecher“ sind Fips und Onkel, Helmut ist Wortführer. Besteht eine Meinungsverschiedenheit, so meldet sich einer dieser drei zum Wort. „Kein Ein wand“ hat immer der im Augenblick Unbeteiligte einer Diskussion zu sagen. Er kann aber auch „Diskussion abgelehnt“ sagen, wenn sich einer der Sprecher mehr als dreimal zu einer Sache geäußert hat. Damit wird stundenlanges Herumreden um einen Fall vermieden. Jeder muß sich also ganz genau überlegen, was er sagt, denn er kann nur dreimal etwas Vorbringen. Nach der Diskussion können sich alle Jungen zu Wort melden und laut ihre Meinung sagen. Melden sich mehrere zum Wort, indem sie den Arm heben, dann ruft der Sprecher seiner Gruppe die Namen einen nach dem anderen auf, und alle können hören, was er denkt, ohne daß der Sprechende unterbrochen werden darf. Wenn alle gesprochen haben, die sich meldeten, wird abgestimmt. Die Mehrheit der Stimmen entscheidet. Jeder Junge stimmt nach seiner Meinung ab und nicht nach der Meinung, die der Sprecher seiner Gruppe hat. Die Sprecher führen lediglich die Diskussion, das heißt, sie haben freie Aussprache untereinander. Außerdem teilen sie ein, wenn die Rollen eines Streiches verteilt werden sollen, und halten die Organisation in Stadt und Land zusammen.
Fips blinzelt listig.
„Nimmt mich ganz und gar Wunder, wo Onkel seine Weisheiten über die Mädchen sammelt. Ich für meine Person habe sozusagen im Ernst noch gar keine Erfahrung, kann mir höchstens vorstellen, daß nicht eine wie die andere ist. Und Silke kommt mir nicht vor wie der Dümmsten eine. Mädchen
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