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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ihrem Klemmbrett auf. »Das ist doch die, in der die Frau gestern abend gestorben ist?«
    »Wer ist gestorben?« Claires Kopf schnellte hoch.
    »Mercy Armistead.«
    Claire blickte Mary Alice und mich an. »Mercy ist tot?«
    Wir nickten. »Claire«, setzte ich an.
    »Mercy ist tot?« Ihre Stimme wurde zu einem klagenden Schrei. »O Gott. Sie haben Mercy erwischt.« Claire stand auf, die Arme
     vor dem Gesicht, als müßte sie Schläge abwehren. Und so schnell, wie sie stand, fiel sie auch schon um. Die Polizistin fing
     Claire mit einer bemerkenswert flinken Bewegung auf und ließ sie vorsichtig niedersinken. Schwesterherz und ich eilten ihr
     zu Hilfe.
    »Legen Sie ihre Füße hoch«, sagte Officer Mitchell. Mary Alice riß ein paar Kissen vom Sofa und stopfte sie unter Claires
     Füße. Ich kniete neben Mary Alice und rieb Claires Hände, die sich wie Eis anfühlten. Ihre Augen waren halb geöffnet, aber
     die Pupillen waren unsichtbar. Ich berührte ihre Halsschlagader. Ich konnte den Puls fühlen. Aber er war schwach.
    Bo Mitchell griff zum Telefonhörer. »Ich brauche Hilfe hier«, war alles, was ich sie sagen hörte. Sie sprach mir aus der Seele.
    Die Rettungssanitäter kamen als erstes, begleitet von einem Feuerwehrwagen und meinen sämtlichen Nachbarn, die wahrscheinlich
     auf der Lauer lagen, seit das Polizeiauto vor unserer Tür gehalten hatte. Ich war ihnen nicht böse; das war keine bloße Neugier.
     In unserem Viertel wohnen viele ältere Leute, die sich fast schon ihr ganzes Leben kennen oder miteinander befreundet sind.
     Nachdem ich ihnen erklärt hatte, daß mit Fred und mir alles in Ordnung war und daß einer jungen Frau, die sich zu Besuch hier
     befand, unwohl war, gingen sie wieder. Über solche Nachbarn kann man froh sein.
    Bo Mitchell führte die Sanitäter ins Wohnzimmer, wo Mary Alice neben der nach wie vor bewußtlosen Claire kniete.
    |59| »Eine Sekunde, warten Sie eine Sekunde. Ich mache schon Platz!« hörte ich Schwesterherz sagen.
    »Können wir Ihnen aufhelfen?« fragte einer der Männer.
    »Nein, ich komme schon zurecht.« Schwesterherz rutschte auf den Knien rückwärts zu Freds Lehnstuhl, drehte sich um, umklammerte
     die Lehne und zog sich hoch. Einen Moment lang sah es so aus, als wäre der Stuhl dem Manöver nicht gewachsen, aber die Götter
     waren Schwesterherz wohlgesinnt. Sie kam zur Tür, an der ich stand, rieb sich die Knie und strich ihren Regenmantel glatt.
     Ich hatte ganz vergessen gehabt, daß sie sonst nicht viel anhatte.
    Wir gaben uns Mühe, nicht im Weg zu stehen, aber dennoch mitzubekommen, was passierte. Ein Blutdruckmeßgerät und ein Herzmonitor
     wurden angeschleppt.
    »Du mußt ihnen sagen, daß du ihr ein Valium gegeben hast«, flüsterte ich.
    »Sie hat beschlossen, es nicht zu nehmen«, flüsterte Mary Alice zurück.
    »Ha, dem Himmel sei Dank dafür. Du hättest sie umbringen können.«
    Mary Alice blickte auf das geschäftige Treiben vor uns und auf die reglose Gestalt in der Mitte. »Ich bin gleich zurück.«
    »Wo gehst du hin?«
    Mary Alice hielt die rosafarbene Tablette hoch. »Das Valium nehmen.«
    Einer der Sanitäter, der »Rogers« auf die Brusttasche seines Hemdes eingestickt hatte, kam zu mir herüber. »Ist das Ihre Tochter,
     Ma’am?«
    »Nein, eine Freundin.«
    »Nun, wir rufen einen Krankenwagen. Ihr Blutdruck steigt und fällt wie ein Jo-Jo, und ihr Herzschlag ist ungleichmäßig. Sie
     ist auf dem besten Wege, wieder zu sich zu kommen, und wir können sie recht gut stabilisieren, aber sie muß untersucht werden.«
    |60| »Könnte ein Schock diesen Zustand verursacht haben?« »
    Sie meinen, so was wie ein emotionaler Schock?« Der junge Mann kratzte sich am Kopf. »Ich denke schon, aber bei einer gesunden
     Person sendet der Körper gewöhnlich Streßsignale aus und beruhigt sich dann wieder. Sie verstehen, was ich meine?«
    Ich nickte.
    »Na, und die Streßsignale dieser Frau laufen Amok.«
    Mir gefiel seine vereinfachende Erklärung. Warum sollte man das Ganze mit Begriffen wie Adrenalin und Arrhythmie verkomplizieren.
     Die Streßsignale dieser Frau liefen Amok.
    »Wer ist denn ihr Hausarzt?« fragte er.
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Gibt es jemanden, den Sie anrufen könnten?«
    Ich stellte fest, daß es niemanden gab.
    »Wohin soll der Krankenwagen sie also bringen?«
    Ich wußte nicht recht, was ich sagen sollte. Fred und ich hatten uns umfassend krankenversichert. Hatte Claire das auch? Vielleicht
     nicht, mit dreißig und mit

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