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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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immer noch ihren Regenmantel an, aber die rote
     Leggings verrieten mir, daß sie sich bereits für den Job als Weihnachtsfrau im Einkaufszentrum angezogen hatte.
    »Nur, daß du’s weißt, ich habe meinen Termin bei Delta Hairlines verpaßt«, sagte sie zur Begrüßung. »Delta hat mir zwar einen
     neuen gegeben, aber sie war alles andere als erfreut darüber.«
    »Ja, das Leben ist hart«, sagte ich.
    |66| »Wie geht es Claire?«
    »Sie behalten sie da, um sie durchzuchecken.«
    »Na ja, klar.« Mary Alice blickte sich um und sog die Luft ein. »Wenn du hier erst mal drin bist, wirst du nicht mehr groß
     gefragt, was du willst, Maus.«
    Ich dachte an den Mann, mit dem Haley gerade durch die Notaufnahme gerannt war. »Gott sei Dank«, sagte ich.
    Es war nicht einfach, Claires Aufnahme zu erwirken. Wir verbrachten eine ganze Weile mit dem Kampf gegen die Bürokratie. Schließlich
     wurde eine Sozialarbeiterin hereingerufen – eine »Patienten-Anwältin«, wie ihrem Ansteckschild zu entnehmen war. Irgendwie
     regelte sie die Dinge so, daß Claire »vorläufig« aufgenommen wurde – was nicht gerade sicher klang   –, bis wir mit Daten und Versicherungskarten et cetera aufwarten konnten.
    »Was meinen Sie mit et cetera?« fragte Mary Alice.
    »Einfach et cetera.«
    Wir akzeptierten, wobei das Angebot fast wieder zurückgenommen worden wäre, als Mary Alice nach einer Nadel verlangte, um
     sich in den Finger zu stechen und in angemessener Weise zu unterschreiben.
    Als die Aufnahme erledigt war, sauste sie ab zum Rosedale Center, und ich zog los, um herauszufinden, wo man Claire hingebracht
     hatte. Sie lag auf Zimmer 492, trug ein Krankenhausnachthemd und schlief wie ein Baby.
    »Hi«, sagte eine Frau, die in dem Bett jenseits des Trennvorhangs saß. »Sind Sie ihre Mama?«
    »Nein.« Ich ergriff Claires Hand und hielt sie fest.
    »Hübsches Ding.«
    »Ja, das stimmt«, sagte ich.
    »Ist sie sehr krank?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Ich bin auch nicht so krank. Höre bloß ab und an auf zu atmen.«
    |67| »Nun, solange Sie irgendwann wieder damit anfangen.«
    »Bei Gott, das ist wahr.«
    Ich blickte auf das schlafende Mädchen. Wenn die Beruhigungsmittel noch länger wirkten, konnte ich auch nach Hause gehen und
     erst abends wiederkommen. Ich ging zum Schwesternzimmer und fragte.
    »Es geht ihr gut«, sagte die zuständige Schwester. »Lassen Sie einfach Ihre Nummer hier, und wir rufen Sie an, wenn sie irgend
     etwas braucht.«
    »Vielleicht bringe ich ihr ein paar Nachthemden«, sagte ich.
    »Machen Sie das, meine Liebe.« Sie lächelte und griff sich ein Krankenblatt. Ich war schon fast am Aufzug, als mir klar wurde,
     daß ich nicht wußte, wie ich nach Hause kommen sollte. Ich hatte nicht einmal Geld für ein Taxi. Oder um Fred anzurufen. Ich
     war drauf und dran, kehrtzumachen und den Schwestern meine Notlage offen darzulegen, als sich der Aufzug öffnete und Officer
     Bo Mitchell heraustrat.
    »Ms. Hollowell«, sagte sie. »Wie geht es Ms. Moon?«
    »Sie schläft. Sie wollen ein paar Untersuchungen vornehmen.«
    »Ist sie allein?«
    »Es ist noch eine andere Patientin mit ihr im Zimmer. Warum?«
    »Sie sagt die Wahrheit. Es stimmt, daß jemand hinter ihr her ist.« Bo Mitchell deutete auf eine Gruppe Stühle neben dem Aufzug,
     und wir setzten uns. »Ich komme gerade aus ihrer Wohnung, dort herrscht ein heilloses Durcheinander. Und in der Tür ist eine
     tiefe Kerbe an der Stelle, wo das Messer hineingerammt wurde. Genau, wie sie sagte.«
    »Mein Gott!« Ich spürte, wie mein Herz zu rasen begann.
    »Ein paar von den Jungs sind jetzt dort, aber ich dachte, ich schaue besser mal nach Ms. Moon.«
    »Sie schläft«, sagte ich. Dann ging mir ein Licht auf. »Sie haben Angst, es könnte sie einer hierherverfolgen?«
    |68| »Wir sorgen dafür, daß das nicht möglich ist«, sagte Bo Mitchell. Sie stand auf, und ich folgte ihr den Flur hinunter.
    »Zimmer 492«, sagte ich.
    »Ich weiß.«
    Wir betraten ein Zimmer, das gerade noch ganz ruhig gewesen und jetzt laut und voller Menschen war. Die Frau im hinteren Bett
     war von mindestens fünf verschiedenen medizinischen Kräften umringt. Eine von ihnen sah uns hereinkommen und grinste breit.
     »Alles okay«, sagte sie. »Hat nur aufgehört zu atmen.«
    In dem vorderen Bett lag die wunderhübsche Claire und schlief.

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    Bo Mitchell hatte Claires Namen aus sämtlichen Krankenhausunterlagen entfernen und sie in ein Privatzimmer in der psychiatrischen
     Abteilung im

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