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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Alice an. »Wartest du bitte mal eine Minute? Ich bin mir sicher, daß Claire nur einen Alptraum hatte. Oder,
     Claire?«
    Claire zog die Knie hoch, umschlang sie mit den Armen und vergrub ihr Gesicht in der Wolldecke.
    »Ich wünschte, ich wäre so gelenkig«, flüsterte Schwesterherz.
    »Halt die Klappe«, sagte ich, lautlos die Lippen bewegend.
    »Irgend jemand hat gestern abend versucht, mich umzubringen«, sagte Claire mit erstickter Stimme.
    »Wie bitte?« fragten Mary Alice und ich wie aus einem Munde.
    Claire hob den Kopf. »Jemand hat versucht, mich umzubringen. Gestern abend.«
    »Wer war das?«
    |53| Claire zuckte die Achseln und vergrub ihr Gesicht wieder in der Decke.
    »Siehst du«, sagte Mary Alice. »Jetzt weißt du, warum sie die Polizei rufen wollte.«
    »Claire, sind Sie sicher?« fragte ich. »In meiner Wohnung. Als ich reinkam. Sie hatten ein Messer. Ich bin gerannt und gerannt,
     und ich habe solche Angst.« Sie winselte wie ein verwundetes Tier.
    Mary Alice griff nach dem Telefon; und diesmal hinderte ich sie nicht daran. Ich saß neben der verstörten Claire, tätschelte
     sie und versicherte ihr, daß alles gut würde. Die Schultern des Mädchens waren völlig verspannt vor Furcht. Tränen traten
     mir in die Augen, als eine ihrer Hände langsam unter der Decke hervorkam und sich auf meine eigene legte.
    »Sie sind in ein paar Minuten da«, verkündete Schwesterherz. Sie setzte sich in Freds Lehnstuhl, und wir blickten einander
     an. Seit sechzig Jahren Schwestern, vermochten wir uns ohne Worte zu verständigen.
    »Was läuft da?« fragte sie mit einer Kopfbewegung.
    »Keine Ahnung«, sagte ich achselzuckend.
    Mary Alice sah zu Claire hinüber, die nach wie vor vornübergesunken war, aber meine Hand hielt.
    »Ich mache mir Sorgen«, bedeutete mir Schwesterherz und preßte einen Finger an die Lippen.
    »Ich auch«, nickte ich.
    »Claire«, sagte Mary Alice und beugte sich vor. »Möchten Sie ein Valium?«
    Claire nickte.
    »Ich halte das für keine so gute Idee«, sagte ich. »Vielleicht steht sie unter Schock.«
    »Sie braucht was zur Beruhigung.«
    »Hast du denn Valium dabei?«
    »Nein, aber du hast doch welches. In deinem Medizinschrank |54| ist noch welches übrig von damals, als dich die Geschichte mit dem Mord in der Bar so mitgenommen hat.«
    »Mitgenommen? Das war eine Schädelfraktur und Gott weiß was noch, und du sprichst von ›mitgenommen‹? Und was hast du überhaupt
     an meinem Arzneischrank zu suchen?«
    »Ich habe nach Aspirin gesucht, was sonst.«
    »Du weißt, daß ich das Aspirin im Küchenschrank aufbewahre.«
    »Aspirin sollte man im Badezimmer haben.« Mary Alice quälte sich aus dem Lehnstuhl. »Ich hole Ihnen ein Valium, Claire.«
    Es gab Zeiten, da hätte ich in so einer Situation meinen Fuß ausgestreckt, wenn Schwesterherz an mir vorbeigegangen wäre.
     Die Versuchung war nach wie vor da, aber ich kannte Mary Alice, sie würde auf
mich
fallen und
mir
die Hüfte brechen. Ich ließ es bleiben.
    »Ich hol’ uns was zu trinken«, sagte ich zu Claire. »Möchten Sie Kaffee oder Cola?«
    Sie nickte nur, so daß die Entscheidung bei mir lag. Ich ging in die Küche und gab eine ordentliche Ladung Eiswürfel in ein
     Glas. Der Kaffee war entkoffeiniert, aber die Cola hatte Koffein. Vielleicht würde es die Wirkung des Valiums ein wenig ausgleichen.
    Ich goß gerade die Cola ein, als Mary Alice in die Küche kam. »Was ist das?« fragte sie und hielt mir ihre Handfläche hin,
     auf der eine rosafarbene Tablette lag. »Valiumtabletten haben Löcher in der Mitte. Hast du schon wieder deine Arzneimittelgläser
     vertauscht?«
    »Die sind von einer anderen Firma. Und ich vertausche nie meine Arzneimittelgläser.«
    »Von wegen. Erinnere dich daran, als ich das vermeintliche Penicillin nahm, das sich im nachhinein als Muskelrelaxans herausstellte.
     Mir ging es hundeelend, nur weil du es im falschen Glas aufbewahrt hast. Weißt du noch?«
    |55| »Mary Alice«, sagte ich, »war dir das keine Lehre, daß man nicht anderer Leute Medizin nimmt?«
    »Es war mir eine Lehre, daß ich mich nicht darauf verlassen kann, daß du sie im richtigen Behältnis aufbewahrst.«
    Ich holte eine Serviette, um das Glas draufzustellen. »Das
ist
Valium, aber ich denke, es ist keine besonders gute Idee, ihr welches zu geben.«
    »Sie wird sich besser fühlen.«
    »Ich finde, sie muß zum Arzt«, wandte ich ein. Aber ich folgte Schwesterherz zurück ins Wohnzimmer, wo Claire noch immer gekrümmt
     wie

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