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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zählt, lautet: Rote oder gelbe Sauce? Die rote ist eher
     traditionell, die gelbe eine scharfe Senfsauce. Ganze Familien haben sich schon über der Debatte entzweit, welche besser ist.
     Baptisten tendieren zur roten, Unitarier zur gelben. Eine Routinefrage, die politischen Kandidaten in Alabama gestellt wird,
     lautet: »Rot oder gelb?« Das ist gar keine so leichte Frage, aber als Kandidaten aus Alabama sagen sie alle: die gute alte,
     traditionelle rote Sauce. Gelegentlich bricht einer aus und gesteht, beide zu mögen.
    Ein Aushang an der Tür verkündete, daß Schuhe und Hemd Pflicht und keine Haustiere erlaubt seien.
    »Derartige Hinweise sind wirklich völlig daneben«, ereiferte sich Mary Alice. »Wir sind doch nicht unter den Brücken |235| aufgewachsen. Als würden wir ohne Hemd und Schuhe in ein Restaurant gehen.« Sie rauschte durch die Tür, den Korb mit Bubba
     in der Hand.
    Ausnahmsweise war es einmal nicht völlig überlaufen. Ein Paar räumte gerade eine Nische in der Ecke, und Mary Alice stürzte
     dorthin und stellte Bubbas Korb auf den Platz neben sich.
    »Vielleicht packst du ihn besser auf den Boden«, meinte ich.
    »Er ist viel zu aufgeregt.«
    Bubba klang in der Tat aufgeregt. Sein Gemaunze ging jedoch in der allgemeinen Geräuschkulisse unter. Eine Senkung des Lärmpegels
     hatte auf Jakes Prioritätenliste noch nie weit oben gestanden. Nicht nur, daß eine Jukebox ohne Unterbrechung Countrymusik
     spielt – im Moment war es gerade Hank jr.   –, nein, die Kellnerinnen brüllen auch noch aus voller Kehle ihre Bestellungen nach hinten. Wenn die Bestellung dann ausgeführt
     ist, werden die Sachen lautstark auf einen hohen Tresen geklatscht, wo die Bedienung sie abholen kommt.
    »Hallo, die Damen«, sagte eine dünne Frau in einem kurzen kastanienbraunen Kittel, auf dessen Brusttasche »Mavis« stand. Sie
     hatte einen feuchten Lappen in der Hand, mit dem sie den Tisch abwischte. »Was darf’s denn sein?« Falls sie Bubba sah, entschied
     sie sich offensichtlich, ihn zu ignorieren.
    »Eine kleine Portion Spareribs mit roter Sauce«, sagte Mary Alice. »Und gesüßten Eistee.«
    »Das gleiche«, erklärte ich.
    Mavis blickte uns indigniert über ihren Bestellblock hinweg an, den sie in der Hand balancierte. »Warum bestellen Sie nicht
     zusammen eine große Portion und teilen sie dann? Sie bekommen dieselbe Menge, vielleicht sogar etwas mehr, und sparen anderthalb
     Dollar. Reicht dann noch für ’ne heiße Teigtasche. Heute gibt’s Pfirsich.«
    »Können wir auf die eine Hälfte gelbe Sauce haben?« fragte Mary Alice.
    |236| »Nein.« Mit Mavis war offenkundig nicht gut Kirschen essen. »Einmal groß, rot!« schrie sie nach hinten. Bubba miaute ebenfalls
     lautstark, kam aber gegen den Krach ringsum nicht an.
    Als Mary Alice und ich jung waren, hatte unser Vater uns den Rat gegeben, nie in Restaurants mit schmutzigen Fenstern zu essen.
     Seinem Dafürhalten nach sagte der Zustand der Fenster mehr über das Lokal aus als jedwede Gesundheitsinspektion.
    »Schau mal«, meinte ich und deutete auf das Fenster.
    Mary Alice nahm eine Serviette, griff über Bubba hinweg und wischte einen kleinen Kreis auf der Scheibe frei. »Die Sonne kommt
     raus.«
    »Nein, ich meine, schau dir an, wie schmutzig es ist. Denk dran, was Daddy immer gesagt hat.«
    »Das ist kein Schmutz. Das ist Barbecue-Sauce.«
    Ich blickte mich nervös um. »Siehst du die Lizenz vom Gesundheitsamt irgendwo hängen?«
    »Himmel noch mal, Maus. Das Essen steht hier nicht lange genug, als daß sich irgendwelche Bakterien darin entwickeln könnten.«
    Ein Punkt für sie. Nichtsdestoweniger standen Salmonellen nicht auf meinem Wunschzettel für Weihnachten. Ich erblickte die
     Lizenz des Gesundheitsamtes über der Registrierkasse, kämpfte mich aus der Nische und bahnte mir einen Weg durch die Menge,
     die auf ihre Bestellungen wartete und darauf, sie zu bezahlen – »98« stand dort mit schwarzem Filzstift geschrieben.
    Mavis war gerade dabei, unseren Tee hinzustellen, als ich in die Nische zurückkehrte. Große Einmachgläser dienten als Trinkgefäße.
     »Möchten Sie Zitrone?«
    Wir nickten. Sie machte eine Verrenkung, um aus der Nachbarnische einen Unterteller mit winzigen Zitronenschnitzen zu angeln.
    |237| »Nun?« fragte mich Mary Alice und drückte ein Stück Zitrone über ihrem Tee aus.
    »Achtundneunzig. Ordentliche Punktzahl«, räumte ich ein. »Da war bestimmt Bestechung im Spiel.«
    »Du bist so schrecklich pingelig,

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