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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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auf dem Servierteller, tauchte eine Serviette in ihr Wasserglas und wischte sich Mund und Hände mit dem feuchten
     Papier ab. Sie sah nicht aus wie eine Frau, die plötzlich den Verstand verloren hatte.
    »Und?« fragte sie.
    »Hast du dir das zusammengereimt, während wir im Weihnachtsverkehr den Highway 280 runtergefahren sind?«
    »Es ist durchaus schlüssig.«
    »Findest du wirklich? Ein Mittelsmann der Kunstmafia, der |240| Ross Perry mitten in Shelby County erschießt, das ist für dich eine schlüssige Theorie?«
    Mavis knallte zwei fritierte Teigtaschen und zwei Gabeln auf den Tisch. »Kaffee?«
    Wir schüttelten den Kopf.
    »Verbrennen Sie sich nicht«, warnte sie uns mechanisch im Weggehen. Das war nicht nötig, so wie das Gebäck dampfte.
    »Ross war auf dem Weg zu Leota. Das sagt mir mein Instinkt«, erklärte Mary Alice und nahm ihre Gabel zur Hand. »Sie führten
     irgend etwas im Schilde.«
    »Nun, Bo Mitchell ist in dem Falle nicht zuständig. Das ist Shelby County. Da wirst du den Sheriff anrufen müssen und ihm
     erklären, was dir dein Instinkt verrät. Er sollte in jedem Fall über diese Kunstmafia informiert werden. Die müssen weiß Gott
     nicht hier in den Wäldern von Shelby County ihr Unwesen treiben, das hat uns gerade noch gefehlt.«
    Mary Alice stach mit der Gabel in ihre Teigtasche. »Okay, das erklärst du ihm.«
    »Das kann ich nicht. Ja, ich werde es gar nicht erst versuchen. Meine Schwester hat mich vor ein paar Minuten warnend darauf
     hingewiesen, ich sollte damit aufhören, mir Ärger aufzuhalsen. Ich kann aber trotzdem noch ein pikantes Detail beisteuern.
     Letztens rief ich bei den Butlers an und hatte Abe am Apparat. Er dachte offensichtlich, ich sei Leota, und herrschte mich
     an – ich zitiere: ›Ich habe die Bilder nicht fertig, laß mich gefälligst in Ruhe.‹«
    Mary Alice pustete auf ein Stück heiße Pfirsich-Teigtasche, berührte es leicht mit der Zunge und pustete noch etwas mehr.
     »Das ist durchaus nicht unbedeutend, Maus«, sagte sie zwischen zwei Pustern.
    Bubba maunzte nach mehr Grillfleisch.
    »Klar, jeder Satz hat eine Bedeutung«, erwiderte ich.
     
    |241| Es war ein schreckliches Theater, meinen Baum von Schwesterherz’ Auto runterzuholen. Beziehungsweise den meiner Schwester
     wieder hinaufzubekommen. Der Mann auf der Weihnachtsbaumfarm hatte sie zusammengebunden. Als wir das Seil bei mir vor der
     Haustür lösten, fielen daher beide Bäume herunter. Wir mühten uns gerade damit ab, den von Schwesterherz wieder aufs Dach
     zu bekommen, als der Lieferwagen eines Blumenhändlers neben uns anhielt und ein junger Mann mit dem größten Weihnachtsstern
     ausstieg, den ich je gesehen hatte. Mindestens zwei Dutzend leuchtendroter Blüten strahlten in der Wintersonne, und das Ganze
     war von weißen Sprenkeln übersät, als habe jemand einen Farbpinsel darüber geschwenkt. Die Pflanze stand in einem Kupferbehälter,
     der so groß war, daß der junge Mann Schwierigkeiten hatte, ihn zu tragen.
    »Mrs.   Hollowell?« fragte er.
    »Das bin ich.«
    Er verlagerte das Gewicht der Pflanze leicht. »Lassen Sie
mich
besser das Ding für Sie reinbringen.«
    Ich öffnete eilig die Haustür und hielt sie ihm auf, während der Mann vorsichtig die Stufen hinaufstieg und in den Flur trat.
    »Ich stelle ihn Ihnen hin, wo Sie wollen«, erbot er sich. »Er ist zwar nicht so schwer, wie er aussieht, aber unhandlich.«
    Ich bat ihn, den Weihnachtsstern ins Erkerfenster in der Küche zu stellen. Er war atemberaubend schön.
    »Von wem ist der denn?« erkundigte sich Mary Alice, die uns in die Küche gefolgt war.
    Ich klappte die Karte auf und las laut vor: »Frohe Weihnachten, Mrs.   Hollowell, und danke, daß Sie uns entführt haben. Glynn und Lynn.« Ich war leicht gerührt.
    »Komm, Maus, fang jetzt nicht an zu heulen.« Mary Alice drehte sich zu dem Lieferanten um. »Weißt du, dieser junge Mann hilft
     uns bestimmt, meinen Baum wieder aufs Auto zu bugsieren, da wette ich.«
    |242| Er tat es. Und glücklich lächelnd angesichts der »Kleinigkeit zu Weihnachten«, die ihm Mary Alice für seine Hilfe zugesteckt
     hatte, fuhr er davon.
    Nachdem sie und der immer noch mißgestimmte Bubba weg waren, schleppte ich meinen Baum hinters Haus und ging den Ständer suchen.
     Es war schon so lange her, daß wir zu Weihnachten einen echten Baum hatten, daß ich nicht mehr sicher war, wo ich ihn nach
     dem letzten Mal hingeräumt hatte. Aber ich hatte Glück. Er lag in einem Regal im

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