Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
zahlreichen Weihnachtsliedern auch die Live-Ansprache des Präsidenten übertragen würde, als das Telefon
     klingelte.
    »Was machst du gerade?« fragte Mary Alice.
    »Ich lese ein Buch über Greta Garbo. Erfahre weit mehr über sie, als ich wissen wollte.«
    »Und, gefällt Fred der Baum?«
    |251| »Du wirst es nicht glauben, ja.«
    »Oh.« Mary Alice klang enttäuscht. »Nun, weshalb ich anrufe: Ich wollte wissen, ob du morgen zum Abendessen kommen willst.
     Fred hat doch da seinen Binokelabend.«
    »Klingt gut.«
    »Ich werde mal sehen, ob Frances Zata auch Zeit hat. Ich schulde ihr noch ein Dankeschön dafür, daß sie im Einkaufszentrum
     für mich eingesprungen ist. Und Bonnie. Glaubst du, sie spielen Bridge?«
    »Ich denke, so wie wir.« Wir spielen beide verboten schlecht. Ich rackere mich ab, versuche mich an die Regeln zu erinnern,
     verpasse sämtliche Chancen, und Mary Alice stellt die Regeln während des Spiels auf. Und gewinnt für gewöhnlich. Unsere Mutter,
     die eine Bridgeexpertin war und sich jahrelang bemühte, uns das Spiel ordentlich beizubringen, ließ uns am Ende bei keiner
     ihrer Kartenrunden mehr einspringen, weil wir beide, wie sie erklärte, nicht die Spur Kartengefühl besäßen.
    »Dann können wir doch ein wenig Bridge spielen. Und falls die anderen keine Zeit haben, kannst du trotzdem kommen.« »Oh, vielen
     Dank.«
    »Keine Ursache. Um sieben?«
    »Ist gut. Wie geht’s Bubba?«
    »Das Engelchen liegt gerade mitten in meinem Bett und schläft.«
    »Und wo ist Bill?«
    »Badet in Epsom-Salz. Er hat von dem Weihnachtsmannkostüm einen wahnsinnigen Ausschlag bekommen. Den solltest du mal sehen.«
    »Danke, darauf kann ich gut verzichten. Soll ich morgen abend ein paar Früchteplätzchen mitbringen?«
    »Gern. Und, Maus?« Mary Alice zögerte.
    »Was?«
    »Ach, nichts. Ich muß Bill jetzt mit Galmeilotion einreiben.«
    |252| »Viel Spaß«, sagte ich.
    Fred hatte die Augen geöffnet und gähnte laut. »Bill hat einen ganz schlimmen Ausschlag«, erzählte ich ihm.
    »Das glaube ich gern.« Er stand auf und streckte sich. »Was liest du denn da?«
    »Eine Biographie über Greta Garbo. Du glaubst nicht, was sie alles angestellt hat.«
    »Lösch die Beleuchtung am Baum und zeig es mir.«
    Ich nahm ihn beim Wort.
     
    Am nächsten Morgen holte ich mein Silberbesteck aus der Gefriertruhe und polierte es. Fred lacht darüber, daß ich es dort
     aufbewahre, und sagt, dort würde ein Dieb als erstes suchen. Aber in der ausziehbaren Schublade unter den Pfirsichen und Blaubeeren,
     wohin ich es letzten Sommer gelegt habe? Das bezweifle ich. Außerdem ist es in dicke Gefrierfolie eingewickelt, mit der Aufschrift
     »Krabben«. Ich finde das Versteck ziemlich sicher.
    Ich wusch meine Kristallgläser und mein Porzellan ab und ließ die rote Tischdecke einmal durch den Schonwaschgang laufen,
     weil sie muffig roch. Während sie im Trockner war, fing ich an, eine Liste zu schreiben, was ich noch alles zu besorgen und
     was ich noch zu erledigen hatte. »Bert: ›Mortal Combat‹, schrieb ich. Seine Eltern hatten mir versichert, daß sich mein zehnjähriger
     Enkelsohn genau dieses Videospiel wünschte. Ich knabberte an dem Radiergummi meines Bleistifts herum. Es klang fürchterlich
     gewalttätig. Sollte ich mich erst noch mal genauer darüber erkundigen? Ich machte ein Fragezeichen neben ›Mortal Combat‹,
     obwohl ich ganz genau wußte, daß ich es kaufen würde. Ich fühlte mich jedoch besser, wenn ich es in Frage stellte. Ein zehnjähriger
     Junge sollte Modellbaukästen bekommen, diese raffinierten Dinger mit vielen Motoren, mit denen er Riesenräder und Hubschrauber
     bauen konnte.
    |253| Es klingelte, und irgendwie wußte ich, noch bevor ich öffnete, wer es sein würde. Und so war es. Dort stand lächelnd Claire
     Moon. In ihrem schwarzen Rollkragenpullover und der schwarzen Hose, dem, wie ich jetzt allmählich mitbekam, üblichen »Outfit«
     der Schwestern, sah sie haargenau aus wie Audrey Hepburn. Sie wirkte blaß, aber ihr Blick war klar; sie trug einen großen
     rosafarbenen Weihnachtsstern unterm Arm. Ich lächelte und hielt ihr die Tür auf.
    »Frohe Weihnachten, Mrs.   Hollowell. Und danke für alles.« Sie überreichte mir die Pflanze.
    »Kommen Sie rein«, sagte ich. »Geht’s Ihnen gut?«
    »Ja, mir geht’s gut.« Sie folgte mir ins Wohnzimmer, wo ich die Pflanze auf den Kaffeetisch stellte und mich umdrehte, um
     sie zu umarmen.
    »Wir haben uns zu Tode geängstigt um Sie«,

Weitere Kostenlose Bücher