OASIS - Die Entdeckung (German Edition)
„Entschuldigen s ie, sind s ie öfter hier, in dieser O a se?“
Der Beduine musterte David zunächst von oben bis u n ten und antworte nach einem kurzen Augenblick des Schwe i gens: „Seit ich fünf Jahre alt war, bin ich fast jeden Tag um die gleiche Zeit hier. Und das ist mit t lerweile schon 58 Jahre her. Ich kenne in dieser Oase jede Palme und habe schon manche Karawane vorbe i ziehen sehen.“
„Ach, da wohnen sie wohl gleich hier in der N ä he?“
„Ja, ich habe es nicht weit bis zu meiner Familie.“
„Und was ist der Grund, dass sie jeden Tag hierher kommen?“ , fragte David neugierig.
„Ja, wissen sie, wir sind keine Muslime, wir sind Kopten, a l so in einer Art auch Christen, und gehören zu dem Stamm Tuwara. Bis zum Jahr 1995 stand hier, in dieser O a se, noch eine winzige Kapelle, die Markuskapelle . Apostel Markus war einst der Gründer der koptischen Kirche, falls sie es nicht wussten. Die Kapelle war nicht groß, etwa fünf bis sechs M e ter breit und neun bis zehn Meter lang. Aber für uns war sie groß genug. Doch eines Tages war sie ve r schwunden, die K a pelle. Quasi über Nacht. Nur noch einige der Grundmauern waren übrig und die sind im Laufe der Jahre vom Sand bedeckt wo r den.“
David wurde hellhörig. Das war doch genau das, wonach er suchte und überzeugend klang es auch. Im Übrigen mac h te der Beduine einen sehr sympathischen Eindruck auf D a vid. Allerdings erzählte er ihm nichts von seiner jüdischen Konfe s sion, denn er hatte die Erfahrung gemacht, dass diese Religion hierzula n de auf wenig Gegenliebe stößt.
„Wie kann denn so eine Kapelle von heute auf morgen verschwinden?“
„Es waren die amerikanischen Archäologen!“ , antwortete der Beduine flüsternd.
„Welche Archäologen? Archäologen reißen doch nicht einfach alte Gebäude ab, ohne wochenlang die ganze U m gebung umzugraben.“
„Doch, doch. Sie suchten erst irgendetwas, und als sie nichts fanden, rissen sie einfach die Mauern der Kapelle ein und sind Hals über Kopf wieder abgereist. Die Steine der Kape l le verstreuten sie überall hier in der Umgebung. Sie liegen jetzt unter dem Sand ve r graben und sind nicht mehr zu sehen. Als ich am Morgen darauf wieder hier vorbei kam, waren die Archäologen verschwunden und die kleine Kape l le exi s tierte nicht mehr.“
„Und wo stand die Kapelle?“ , fragte David in der Hof f nung, dass sich der Beduine nach dieser langen Zeit noch genau daran eri n nern würde.
„Die Stelle kann ich ihnen auf den Zentimeter genau ze i gen.“
Der Beduine stand langsam und behäbig auf. Er stützte sich mit der rechten Hand auf seinen Stock aus selbst g e schnitztem Olivenholz ab. David e r kannte an seiner Hand ein tätowiertes Kreuz, das inoffizielle Zeichen mancher gläubigen Kopten. „Kommen sie mit, ich zeige es ihnen!“ , forderte der Beduine David auf.
Sie gingen nicht einmal zwanzig Meter durch den heißen Wüstensand. Der Beduine stellte sich rechts neben eine Da t telpalme, die sehr viel kleiner war als die anderen, aus der u n mittelbaren Umgebung.
„Diese Palme habe ich damals genau in die Mitte der ehemaligen kleinen Kapelle gepflanzt und g e weiht. Es ist eine heilige Palme. Jeder, der dieser Pa l me etwas antut, wird auf der Stelle von Gott b e straft werden. Sehen sie, jetzt ist sie schon fast drei M e ter hoch.“
„Auch das noch“ , dachte sich David, „ jetzt steht auch noch diese verdammte Palme im Weg.“
„Ja, so eine Palme ist ein hübsches Andenken. Wussten sie eigentlich, was die Archäologen damals genau suc h ten?“ , interessierte D a vid eigentlich viel brennender.
„Nein, nicht wirklich. Ich weiß nur, dass die Rückseite der Kapelle direkt an die Felswand dieses Hügels hier grenzte. Genau da, wo sich jetzt dieser große Felsblock b e findet. Man sprach damals davon, dass es in der Rückwand der Kapelle eine Geheimtür gäbe, die direkt in diesen H ü gel führte. Dort sollte sich ein geheimer Gang befi n den. Ich war da aber nie drin. Für mich war alles, was innerhalb dieser Kapelle war, heilig. Mein Glaube verbietet es mir, etwas derartig Heiliges zu betreten. Außerdem wusste ich gar nicht, wie diese Geheimtür aufg e hen sollte.“
„Ich verstehe. Dieser Felsblock war also nicht immer hier? Er ist wohl nachträglich an diese Stelle platziert wo r den ? “, fragte David.
„Ja, ja. Ich vermute, dass der große Felsblock den Ei n gang in den Hügel verdecken soll te .“
„Sie vermuten praktisch nur, dass
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