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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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einer Rutsche aus poliertem Granit, hielt Jack für eine Minute an und hörte den Kindern beim Quietschen, Kreischen und Lachen zu. Ihre Freude war ansteckend und hätte fast ein Lächeln auf Jacks Gesicht gezaubert, als er an seine eigene, ausgelassene Kindheit zurückdachte. Aber schon einen Augenblick später wurden seine Gedanken wieder von JJs Neuroblastom beherrscht und von der schwierigen Frage, was wohl die Oberhand gewinnen würde: die geheimnisvollen Selbstheilungskräfte von JJs Körper unterstützt durch die moderne Medizin oder die ebenso geheimnisvollen Kräfte der DNA-gesteuerten Neuroblastomzellen. Es war der klassische Zusammenprall von Richtig und Falsch.

    Wieder schnürte es ihm die Kehle zu, diesmal noch heftiger als zuvor, also sprang Jack zurück aufs Rad und trat wütend in die Pedale. Wegen des frühlingshaften Wetters fand er sich glücklicherweise schon bald von einem Pulk anderer Radfahrer, Läufer, Inlineskater, Skateboarder und einfacher Spaziergänger umgeben, die weitere Grübeleien unmöglich machten, falls er nicht mit jemandem zusammenstoßen wollte.
    Jack verließ den Park an der 106. Straße. Er konnte schon beim Näherkommen deutlich sein Haus erkennen, das sich von den anderen Häusern des Blocks schon dadurch stark unterschied, dass es komplett renoviert worden war. Dann sah er aus den Augenwinkeln etwas, das er lieber nicht gesehen hätte, nämlich ein paar seiner Nachbarn, die sich auf dem Basketballplatz für ein Spiel aufwärmten. Jack konnte einfach nicht anders, er sprang über den Bordstein und rollte an den Maschendrahtzaun.
    Kaum hatte er angehalten, schlenderte einer der Spieler zu ihm herüber. Sein Name war Warren Wilson, es war der mit Abstand beste Spieler. Im Laufe der Jahre, die Jack jetzt schon in dieser Gegend wohnte, waren Jack und er zu guten Freunden geworden.
    »Hey Mann, steigst du ein? Wir könnten noch jemanden gebrauchen.«
    »Würde ich zu gern«, sagte Jack, »aber Laurie ist mit JJ im Haus eingepfercht, und ich muss hin und sie mal ablösen. Verstehst du?«
    »Ja, alles klar. Dann also bis später.«
    Jack rang noch mit sich, während er beobachtete, wie Warren wieder zu der Gruppe zurückging. Widerstrebend drehte er sein Rad und überquerte die Straße, dann nahm er es auf die Schulter und trug es die steinerne Außentreppe hinauf.
    Nachdem er die Tür aufgeschlossen hatte, streckte Jack
erst einmal den Kopf hinein und horchte. Es war kein Weinen zu hören. Er trug das Rad hinein, verstaute es im Schrank und stieg die Treppen hoch.
    Während Jack die Stufen erklomm, nahm er verräterische Geräusche aus der Küche wahr. Oben angekommen erwartete er, das Baby im Laufgitter und Laurie an der Spüle vorzufinden, genau wie am Abend zuvor. »Hallo Liebste«, rief er, als er Laurie aus den Augenwinkeln wahrnahm, während er ans Laufgitter trat, um einen Blick auf JJ zu werfen. Dort aber stutzte er und schaute ein zweites Mal. JJ war nicht da.
    »Wo ist der Junge?«, fragte er leicht besorgt, weil es so etwas noch nie gegeben hatte.
    »Der kleine Mann schläft«, verkündete Laurie zufrieden. »Und weil ich letzte Nacht ganz gut geschlafen habe, dachte ich, ich kümmere mich um ein schönes Abendessen. Es ist wirklich ein Luxus.«
    Was für ein Luxus?, dachte Jack, ließ sich aber nichts anmerken. Er ging direkt zu ihr hinüber, legte von hinten seine Hände um ihre Taille und führte sie gegen ihren Widerstand aus der Küche hinaus, den kurzen Flur hinunter und ins Wohnzimmer. Er ließ sie auf einem der Sofas Platz nehmen, das mit einem leuchtend gelb-hellgrün karierten Stoff bezogen war. Jack setzte sich in den Sessel gegenüber.
    »Ich muss mit dir reden«, sagte Jack in autoritärem Ton.
    »Okay«, erwiderte Laurie und schaute Jack skeptisch an. Die Situation wirkte etwas ungewohnt, und sie wusste noch nicht, ob sie sich Gedanken machen sollte oder nicht. Sie konnte Jacks Gefühle nicht entschlüsseln, obwohl sie wahrnahm, dass er nicht ganz er selbst war. »Ist im Büro alles in Ordnung?«
    Jack zögerte einen Moment. Er wusste nicht, wo er anfangen
sollte. Er hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, was er eigentlich genau sagen wollte. Unglücklicherweise wuchsen Lauries Sorgen mit jeder Minute, die Jack ihr schweigend gegenübersaß, nur noch mehr.
    »Ich möchte dich etwas fragen«, begann Jack. »Etwas, was Schuldgefühle in mir weckt.«
    Laurie atmete hörbar ein. Sie spürte, wie ihr plötzlich kälter wurde. »Moment«, sagte sie und

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