Obduktion
Freiheit.«
»JJ wird es mitkriegen, sobald ich aus der Tür bin. Ich würde mir viel zu viele Sorgen machen.«
»Dein Vertrauen in mich ist nicht gerade groß.«
»In dich als Kinderarzt? Nein, ist es nicht. Ich bin froh, dass ich die ganze Zeit zu Hause bei JJ sein kann. Es wäre
für mich viel schwerer, wenn ich wieder zurück zur Arbeit ginge und jemand anderem seine Pflege anvertrauen müsste. Sieh es doch mal so, du ermöglichst es mir, das zu tun, was ich tun möchte. Und ich habe wirklich nicht das Gefühl, dass ich hier festsitze.«
»Ist das dein Ernst?«
»Und ob! Es ist im Moment nicht leicht, aber wir können bald wieder mit der Behandlung anfangen. Und je mehr ich mich anstrenge, desto sicherer bin ich mir, dass alles ein gutes Ende nehmen wird.«
»Okay«, antwortete Jack. Er wünschte, er könnte ihren Optimismus teilen. Er drückte sie kurz, dann stand er auf und ging zum Fenster. Warren und die anderen waren noch mitten in ihrem ersten Spiel und rannten auf dem Basketballplatz hin und her.
»Ich glaube, dann gehe ich mal raus und spiele ein bisschen Basketball«, sagte Jack.
»Gute Idee. Solange du dich nicht verletzt«, entgegnete Laurie. »Ich brauche nicht noch einen Patienten hier im Haus.«
»Ich versuch, dran zu denken«, sagte Jack, bevor er zum Umziehen nach oben verschwand.
Kapitel 23
18:30 Uhr, Samstag, 6. Dezember 2008 New York City
J ames hatte Pater Maloney gebeten, seinen geliebten Range Rover aus der Garage zu holen und ihn auf der 51. Straße vor der Residenz zu parken. Es war ein 95er Modell und damit nicht gerade brandneu, aber für James war es ein Symbol für Freiheit. In den Herbst- und Wintermonaten fuhr er mit dem Wagen nach Morris County, New Jersey, zu einem kleinen See namens Green Pond, wo er gelegentlich ein einsames Wochenende in seinem Landhaus verbrachte. Es war ein himmlischer Zufluchtsort, um dem allwöchentlichen Stress seiner Amtsgeschäfte zu entfliehen.
James setzte sich ans Steuer, fuhr zunächst in Richtung Westen und dann südlich auf dem West Side Highway am Hudson River entlang.
Die Strecke war malerisch. Er ließ seine Gedanken schweifen und dachte an den bevorstehenden Abend, von dem er hoffte, er würde dank Jacks Anwesenheit nicht so grässlich werden, wie er ursprünglich befürchtet hatte. Dann kreisten seine Gedanken um sein größtes Problem: Wie konnte man Shawn davon abbringen, etwas über den möglichen Zusammenhang zwischen den Knochen im Ossuarium und der Heiligen Jungfrau zu veröffentlichen? Er schauderte erneut bei der Vorstellung, er könnte damit keinen Erfolg haben. Eine solche Neuigkeit
würde sich verheerend auf die Kirche auswirken, die sich wegen der Missbrauchsfälle in einer Autoritätskrise befand. Es wäre auch für ihn persönlich vernichtend, weil er davon ausging, dass der Heilige Stuhl – dank Shawns Machenschaften – sich gezwungen sähe, ihn selbst zum Sündenbock zu machen. Mit einem Gefühl von Traurigkeit sinnierte James über den langen Weg, den er bis zu seiner jetzigen Position zurückgelegt hatte, und seine Hoffnungen auf ein höheres Amt.
Er seufzte, als er sich wehmütig all die Ecken und Umwege seiner Karriere wieder ins Gedächtnis rief und schließlich an ihr mögliches Ende dachte, verursacht durch die Hand eines Freundes. Es kam ihm vor wie der ultimative Verrat. Und plötzlich kam ihm ein Gedanke. Die einzige Möglichkeit, Shawns Entscheidung bezüglich einer Veröffentlichung der Ergebnisse zu beeinflussen, war ihre persönliche Beziehung. James wusste sehr wohl von Shawns negativer Einstellung zur Kirche, sodass jeder Appell in diesem Bereich auf taube Ohren stoßen würde. James wusste auch, dass Shawn nicht unbedingt ein Moralapostel war, aber er war definitiv ein sehr guter Freund. Er musste Shawn davon überzeugen, dass er mit seiner Aktion ihn, James, verletzen würde, und die Rolle der Kirche dabei herunterspielen.
James verließ den Highway an der Abfahrt zum West Village und fuhr zur Morton Street, wo er den ersten Parkplatz nahm, den er finden konnte. Als zugegebenermaßen miserabler Autofahrer brauchte er fast zehn Minuten, um den Range Rover in die Parklücke zu rangieren, und obwohl er etwa sechzig Zentimeter vom Bürgersteig entfernt stand, fand er, dass er seine Sache ganz gut gemacht hatte.
Fünf Minuten später bog er in den kleinen Weg ein, der zu dem Holzrahmenhaus der Daughtrys führte, und
blieb stehen. Er hatte sie schon öfter besucht, aber er hatte vergessen, wie
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