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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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noch schlimmer wird. Mir ist natürlich bewusst, wie sehr dich diese Sache mitnimmt, aber meiner unmaßgeblichen Meinung nach ist Shawns Standpunkt durchaus nachvollziehbar.«
    »Bist du etwa auf seiner Seite?« In James’ Stimme klang eine Mischung aus Bestürzung und Verwunderung durch.
    »Nein, ich bin auf niemandes Seite«, sagte Jack. »Aber als ich das letzte Mal bei ihm zum Abendessen war und wir beim Abwasch kurz allein waren, haben wir auch über dich und deinen beachtlichen Aufstieg in der Kirchenhierarchie gesprochen. Daraufhin hat er mir ein paar Dinge über sich erzählt, die ich noch nicht wusste. Als wir uns damals alle am College kennenlernten, hatte er der katholischen Kirche schon den Rücken zugekehrt. Aber ich wusste nie, aus welchem Grund eigentlich.«
    James warf noch einen Blick in Jacks Richtung, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zuwandte. »Augenblick mal! Er ist doch wohl nicht etwa missbraucht worden, oder?«
    »Nein, ganz so dramatisch ist es nicht, aber fast.«
    »Das höre ich zum ersten Mal«, sagte James. »Was bitte meinst du mit ›fast‹?«
    »Ich bin in einer Atheistenfamilie aufgewachsen und
in Religion nicht so bewandert, darum bin ich vielleicht nicht der Richtige, um diese Geschichte zu erzählen. Aber ich werde es trotzdem versuchen. Wie es aussieht, hatte Shawn als junger Teenager sehr viel für die Kirche übrig. Genau wie seine Eltern.«
    »Das ist mir bekannt«, sagte James.
    »Dann weißt du auch, dass seine Eltern und er in ihrer Gemeinde sehr aktiv waren.«
    »Auch das ist mir bekannt.«
    »Wie auch immer«, fuhr Jack fort. »Die Pubertät erwischte ihn ziemlich unvorbereitet, und so wie er es erzählt, klingt es vor allem sehr komisch. Also, wie es aussieht, masturbierte er zum ersten Mal ganz zufällig und zu seiner eigenen großen Überraschung. Er stand unter der Dusche und wusch sich. Und je sauberer sein Schwanz wurde, desto besser fühlte es sich an – so lange, bis er einen Orgasmus erlebte. Es kam ihm vor wie eine göttliche Freude. Aus verständlichen Gründen entwickelte er nach dieser Episode eine große Neigung fürs Duschen. Er duschte bis zu drei Mal am Tag und fühlte sich Gott und allen Heiligen näher als jemals zuvor.«
    Obwohl ihm nicht ganz wohl dabei war, musste James unwillkürlich grinsen. Er konnte sich nur zu gut ausmalen, wie Shawn diese Geschichte erzählt hätte. Shawn war ein begnadeter Geschichtenerzähler. Aber dann beruhigte er sich wieder, als ihm schwante, dass die Story keineswegs so komisch weitergehen würde.
    »Ein paar gesegnete Wochen später kam Shawn dann offenbar in Kontakt mit den Lehren des Papstes, den er heute Abend erwähnt hat.«
    »Du meinst Papst Gregor I.?«, fragte James.
    »Ich glaube, der war es«, sagte Jack. »War er der Sexualität gegenüber so negativ eingestellt, wie Shawn es dargestellt hat?«

    »Ja, das war er in der Tat«, räumte James ein.
    Jack fuhr fort: »Der Zusammenprall des mutmaßlichen kirchlichen Antimasturbationsdogmas mit seiner eigenen Methode, das Göttliche zu erfahren, war für ihn eine Katastrophe. Noch schlimmer wurde es, als er erfuhr, dass er jede einzelne ›göttliche Freude‹, bei der er selbst Hand angelegt hatte, beichten müsste, um die Kommunion empfangen zu dürfen – und auch jeden unreinen Gedanken, wie zum Beispiel seine Fantasien über Elaine Smiths Hintern.«
    »War Elaine Smiths Hintern denn wirklich so bewunderungswürdig? «
    »Laut Shawn und der Vielzahl seiner Beichten zu diesem Thema muss er wahrhaft bewunderungswürdig gewesen sein.«
    »Mir ist völlig klar, dass es mit dieser amüsanten Anekdote noch ein böses Ende nehmen wird, also heraus damit.«
    »Shawn erzählte, dass die große Schlacht ganze sechs Monate dauerte. Sechs Monate, in denen er versuchte, wieder so keusch zu werden, wie es dem kirchlichen Dogma entsprach. Zu diesem Zweck musste er seine Rückfälle allwöchentlich beichten, und damit er dabei nichts vergaß, führte er akribisch Tagebuch über alle seine Masturbationsabenteuer – die inzwischen, wie er mir erzählte, nicht mehr unter der Dusche stattfanden, weil dabei seine Haut zu sehr austrocknete. Und was seine unreinen Gedanken betrifft, hatten sich die inzwischen wohl auch noch anderen Bereichen von Elaine Smiths bezaubernder Anatomie zugewandt.«
    »Jetzt reicht es aber wirklich allmählich!«, beschwerte sich James.
    »Okay«, pflichtete Jack bei. »Tut mir leid. Also, wie schon gesagt, der Kampf dauerte monatelang,

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