Obduktion
bin, der die Macht dieser Wahrheit sofort erkennen und sie in konstruktivem Sinne nutzen wird?«
»Du weißt aber nicht, ob es die Wahrheit ist«, konterte James, »und das ist der Punkt!«
»Und deshalb forsche ich weiter«, sagte Shawn. »Wenn ich diese Rollen übersetzt habe …«
»In welcher Sprache sind sie geschrieben?«
»Aramäisch«, platzte Shawn heraus.
James spürte, wie sein Herz stockte. Er hatte die plötzliche Hoffnung gehabt, dass Simons Schriftrollen in einer Sprache geschrieben seien, die den ganzen Text diskreditieren könnten, aber Aramäisch war Simons Muttersprache.
»Wenn ich mit den Schriftrollen fertig bin und wenn Sana mit ihrer Arbeit fertig ist …«
»Wie kann Sanas Arbeit dazu beitragen, die Authentizität der Knochen zu beweisen?«, warf James irritiert ein.
»Das weiß ich noch nicht«, sagte Shawn, »ich verstehe nicht alles, was sie da macht. Aber es zeigt unsere Bereitschaft, den Inhalt des Ossuariums so gründlich wie möglich zu untersuchen.«
»Egal, wem ihr damit Schaden zufügen könntet?«
»Ich sehe das eher unter dem Gesichtspunkt, wem wir damit helfen könnten, und dabei beziehe ich sogar die Kirche mit ein.«
»Glaubst du denn wirklich, Jesus Christus hätte dich dazu auserkoren, der Kirche die richtige Richtung zu weisen? Ist es das, was ich hier heraushöre?«
Shawn öffnete ergeben seine Hände. »Könnte sein!«, sagte er, aber es klang eher wie »önnte sein«, er war nicht mehr in der Lage, ein »k« zu artikulieren.
James ließ den Kopf sinken, bis sein Kinn die Brust berührte. »Das ist schlimmer, als ich gedacht hatte.«
»Wieso das denn?«, fragte Shawn, und er war nicht zu betrunken, um die Änderung im Verhalten seines Freundes wahrzunehmen.
»Ich fange an, mir Sorgen um deine Seele zu machen«, sagte James, »oder um deinen Geisteszustand.«
»Nun gehst du aber zu weit«, sagte Shawn, »ich fühle mich gut, sogar prächtig. Ich habe mich nie besser gefühlt. Dieses Ossuarium und sein Inhalt sind die faszinierendsten Dinge, die mir in meinem bisherigen Berufsleben untergekommen sind.«
In diesem Moment tauchte Sana mit einem Schokoladenkuchen, der mit vielen Kerzen dekoriert war, aus der Küche auf und sang »Happy Birthday «. Shawn und Jack stimmten mit ein, während Sana den Kuchen auf
den Beistelltisch neben James’ Stuhl stellte. Als das Geburtstagslied zu Ende war, klatschten alle in die Hände.
Etwas verlegen beugte James sich in seinem Stuhl nach vorn, was die blutergussähnlichen Flecken auf seinen Wangen noch dunkler aussehen ließ. Er holte tief Luft und blies unter weiterem Applaus sämtliche Kerzen aus.
Kapitel 24
21:23 Uhr, Samstag, 6. Dezember 2008 New York City
D as nennst du einparken?«, fragte Jack, der mit in die Hüften gestemmten Händen auf dem Bürger steig stand und den guten halben Meter zwischen James’ Range Rover und der Bordsteinkante betrachtete.
»Besser habe ich es nicht hingekriegt«, sagte James. »Und jetzt geh mir nicht auf die Nerven. Steig einfach ein. Ich verspreche dir, dass ich dich sicher nach Hause bringe.«
Die beiden Männer setzten sich auf die Vordersitze des Geländewagens. Jack legte sofort den Sicherheitsgurt an. Wenn James wirklich nicht besser einparken konnte, hatte er allen Grund, sich auch über seine Fähigkeit als Fahrer Sorgen zu machen. »Zu viel Wein hast du doch hoffentlich nicht getrunken, oder?«
»Ich bin so aufgedreht, dass ich mich fühle, als hätte ich gar nichts getrunken.«
»Ich kann auch fahren«, bot Jack an. »Ich habe fast keinen Alkohol getrunken.«
»Mir geht’s gut«, versicherte James, während er den Wagen aus der engen Parklücke herausmanövrierte.
Schweigend fuhren sie durchs West Village, und beide hingen in Gedanken der gereizten Diskussion beim Abendessen nach.
»Shawn benimmt sich wirklich unmöglich!«, stieß
James plötzlich hervor, als sie an einer Ampel darauf warteten, in den West Side Highway abzubiegen. »Andererseits ist er schon immer ein unmöglicher Kerl gewesen.«
»Ja, eigensinnig war er schon immer«, erwiderte Jack.
James warf ihm einen Seitenblick zu und sah Jacks scharfes Profil vor der bunten Straßenbeleuchtung. »Das ist aber eine ziemlich lahme Zustimmung.«
Jack drehte den Kopf zu James herum und einen kurzen Moment begegneten sich ihre Blicke, bevor die Ampel auf Grün sprang und James weiterfahren musste. »Tut mir leid«, sagte Jack. »Vielleicht sollte ich besser gar nichts mehr sagen, damit es für dich nicht
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