Obduktion
und Shawn
versuchte sein Bestes, all seine Taten freitags minutiös zu beichten.«
»Und?«, fragte James ungeduldig.
»Shawn fiel auf, dass die beiden Priester, die ihm normalerweise die Beichte abnahmen, immer interessierter zuhörten.«
»Guter Gott, nein!«, stammelte James.
»Reg dich nicht auf«, warnte Jack. »Im Grunde ist nichts passiert. Jedenfalls nicht offen.«
»Gott sei Dank!«
»Aber ganz gleich, wie viele Einzelheiten Jack beichtete, es waren nie genug, und Woche für Woche wurden ihm immer mehr Fragen gestellt, so viele Fragen, dass schließlich sogar ihm, dem gerade erst pubertierenden Teenager, klar wurde, dass da irgendetwas falsch lief. Der Gipfel des Ganzen war für Shawn erreicht, als ihm einer der Priester während der Beichte anbot, sich privat mit ihm zu treffen und ihm zu helfen, diese dem Seelenheil abträgliche Gewohnheit abzulegen.«
»Und, haben sie sich getroffen?«
»Shawn sagt Nein. Aber es war der Moment, an dem er sehr zur Bestürzung seiner Eltern beschloss, die Beziehung zur Kirche abzubrechen. Zunächst sollte es nur vorübergehend sein, aber es ist letzten Endes dabei geblieben.«
»Das ist wirklich unglücklich gelaufen«, stimmte James zu. »Schade, dass er keine verständigeren Priester hatte, die ihm an diesem wichtigen Scheideweg helfen konnten.«
»Aber ist es nicht genau das, was Shawn kritisiert? Im Zölibat lebende Priester sind wahrscheinlich nicht die besten Pfadfinder für Jugendliche im Pubertätsdschungel, und genauso wenig sind sie es für junge Erwachsene, die sich eine Familie aufbauen wollen. Kinder zu haben, ist viel schwieriger, als die Leute sich vorstellen können –
selbst unter den besten Bedingungen.« Jack musste an seine eigene Situation denken.
»Ich kann nicht bestreiten, dass das ein heikles Thema ist, aber jetzt muss ich mich auf das aktuelle Problem konzentrieren.«
»Du meinst deine Hoffnung, dass du Shawn doch noch umstimmen kannst?«
»Ganz genau.«
»Ich werde dir mal sagen, wie ich das sehe. Du ruderst damit ganz schön gegen den Strom. So lange Shawn und seine Frau keine Beweise finden, die hundertprozentig dagegen sprechen, so lange wird er in der Öffentlichkeit verkünden, er habe die Gebeine der Heiligen Jungfrau entdeckt. Selbst wenn er das gar nicht zweifelsfrei beweisen kann. Davon wirst du ihn nicht abhalten. Dass du bei deiner Argumentation weniger den Schaden für die Kirche, sondern eher deine persönliche Lage betont hast, war zwar ein cleverer Schachzug, aber nicht einmal das konnte ihn umstimmen. Schon gar nicht, nachdem du selbst eingeräumt hast, es sei keineswegs sicher, dass du für seine Verfehlungen gemaßregelt würdest.«
»Ich glaube leider, dass du recht hast«, antwortete Jack resigniert. »Ich bin wohl der Letzte, der versuchen sollte, ihm etwas auszureden, von dessen Richtigkeit er zutiefst überzeugt ist, gerade so, als sei er auf göttlicher Mission. Als ich das hörte, habe ich begriffen, dass ich sehr wahrscheinlich auf dem Holzweg bin. Wenigstens spielt er sich nicht so sehr als großer Prophet auf, wie ich befürchtet habe.«
»Warum glaubst du, dass du der Letzte bist, der versuchen sollte, Einfluss auf ihn zu nehmen?«, fragte Jack. »Ich finde, du bist dafür perfekt. Er kennt dich, er vertraut dir, und einen glaubwürdigeren Kirchenvertreter gibt es in diesem Land wahrscheinlich nicht.«
»Wir sind einfach zu gute Freunde«, erklärte James, als er auf Höhe der 69. Straße vom West Side Highway abbog. »Ich weiß, dass er ziemlich in Rage war, aber er hat noch immer kein Problem damit, mich Pummel zu nennen. So hat er mich schon auf dem College genannt, wenn er sauer war, weil er weiß, wie ich das hasse – wahrscheinlich, weil es nicht ganz falsch ist. Aber diese Vertrautheiten verschaffen mir einen deutlichen Nachteil.«
»Aber wenn du es nicht tust, wer sollte es sonst tun?«, fragte Jack. »Ich hoffe, du denkst dabei nicht an mich, denn ich hatte auch nicht mehr Erfolg als du. Um genau zu sein, habe ich überhaupt nichts erreicht. Außerdem weiß ich so gut wie nichts über die katholische Kirche, verglichen mit euch beiden.«
»Wo wohnst du noch mal?«, erkundigte sich James, nachdem er Jack versichert hatte, dass er nicht beabsichtigte, ihm das Problem mit Shawn und Sana aufzuhalsen.
Jack nannte ihm Straße und Hausnummer. »Aber wer, wenn nicht ich?«, hakte Jack noch einmal nach.
»Das ist das Problem«, sagte James, während sie sich Jacks Haus näherten. »Ich habe
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