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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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und eilte zurück in sein Büro, während er über die Häufigkeit von Vertebraldissektionen nach chiropraktischen Behandlungen nachdachte. Er hatte über einen Fall gelesen, Chet hatte einen
gehabt und vier oder fünf andere Fälle in der rechtsmedizinischen Datenbank von L.A. gefunden. Und darüber hinaus war er selbst wahrscheinlich gerade auf einen weiteren Fall gestoßen. Aus all dem konnte er schließen, dass der Besuch bei einem Chiropraktiker unter Umständen keine besonders angenehme Erfahrung sein musste.
    Obwohl Jack sich eingestand, über chiropraktische Therapien, die er der Alternativmedizin zurechnete, nicht besonders viel zu wissen, wusste er, dass es Zweifel hinsichtlich ihrer Wirksamkeit gab. Er hatte Chiropraktik immer zusammen mit Akupunktur, Homöopathie, ayurvedischer Medizin, chinesischer Kräuterheilkunde, transzendentaler Meditation und hundert anderen Therapiemethoden in einen Topf geworfen. Er hielt sie allesamt für fragwürdig, weil sie mehr auf Hoffnungen und Placeboeffekten beruhten als auf irgendetwas anderem. Nach seinem Verständnis hatte das mit Wissenschaft nichts zu tun, aber er hatte nichts dagegen. Wenn die Leute glaubten, für ihr Geld einen Gegenwert zu erhalten, dann hatte er kein Problem damit. Wenn aber eine dieser Therapien tödlich sein konnte, dann war das eine ganz andere Geschichte. Und als Rechtsmediziner war es seine Aufgabe, das an die sprichwörtliche große Glocke zu hängen.
    Von seinem neuen Kreuzzug beflügelt setzte Jack sich wieder an seinen Schreibtisch. Er musste an seine Unterhaltung mit Laurie denken und daran, dass sie gesagt hatte, sie sei gewillt, für JJ alles auszuprobieren. »Ich glaube, chiropraktische Therapie lassen wir mal aus«, sagte Jack laut, als er seinen Stuhl vor den Computermonitor zog.

Kapitel 8
12:05 Uhr, Montag, 1. Dezember 2008 New York City (19:05 Uhr, Kairo)
    J ack fand auf der Online-Plattform eMedicine einen Artikel über Vertebralisdissektion. Er überflog ihn und fand heraus, dass VD die Ursache für zwanzig Prozent aller Hirnschläge bei Patienten unter fünfundvierzig war und bei Frauen dreimal so häufig vorkam wie bei Männern. Er las, dass die typische Ausprägung okzipital war, also am Hinterkopf, und als Kopfschmerz auftrat. Er blätterte zur letzten Seite, wo die Ursachen beschrieben waren. Der wichtigste Risikofaktor waren Manipulationen der Wirbelsäule, ganz wie Chet es angedeutet hatte. Die Häufung von VD gerade bei Manipulationen des Rückgrats machte ihn neugierig. Jack wechselte zurück zu seiner Standardsuchmaschine. Schon wenige Sekunden später bekam er Unmengen von Artikeln angezeigt. Er stieß schnell auf einen Beitrag, der vielversprechend erschien, und klickte ihn an. Beim Lesen fand er ihn noch viel beunruhigender als den ersten Artikel, weil es sich um eine systematische Abhandlung über alle fünfunddreißig durch zervikale Manipulation verursachten Fälle von Gehirnschlag handelte, die zwischen 1995 und 2001 in der medizinischen Fachliteratur veröffentlicht worden waren. Bei der Mehrzahl der Fälle waren Chiropraktiker involviert, und bei den meisten Läsionen handelte es sich um Vertebralisdissektionen. Die Krankheitsverläufe verteilten
sich auf sechs Prozent von Betroffenen, die vollständig gesundeten, und die verbliebenen vierundneunzig Prozent der Patienten, die mit unterschiedlichen Ausprägungen dauerhafter neurologischer Folgeschäden zu kämpfen hatten – bis hin zum Tod. Einer der aufgeführten Patienten, die nicht überlebt hatten, war ein drei Monate altes Baby.
    Jack lehnte sich zurück und starrte an die Decke. Welches Wehwehchen konnte die Eltern wohl zu der Annahme verleitet haben, die Symptome bei ihrem Baby könnten durch Manipulationen der Halswirbelsäule gelindert werden? Durch ein plötzliches und erzwungenes Drehen des Kinderkopfes über den normalen Widerstand hinaus? Und was war nur in einem vermeintlichen Therapeuten vor sich gegangen, dass er sich anmaßte, eine solche Behandlung durchzuführen? Jack war nicht nur erschrocken, er war wütend.
    Als Jack in das Diskussionsforum zu dem Artikel vorstieß, erfuhr er, dass die dort diskutierten fünfunddreißig Fälle wahrscheinlich nur einen Bruchteil der tatsächlichen Vorfälle ausmachten. Offenbar war es gängige Praxis, nicht jeden Fall auch zu melden. Wie um diese Feststellung noch zu untermauern, gab es zusätzlich eine Umfrage unter Fachärzten anlässlich eines Schlaganfall-Kongresses der American Heart Association,

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