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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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sei denn, außergewöhnliche Umstände erforderten die Anwesenheit eines forensischen Pathologen. Obwohl Jack vermutete, dass weder sein Chef noch dessen Stellvertreter in der aktuellen Situation ›außergewöhnliche Umstände‹ erkennen würden, entschloss er sich, es dennoch zu tun. Er verspürte ein unwiderstehliches Verlangen, dem Chiropraktiker in die Augen zu schauen, während dieser ihm erklärte, wie man mit Halswirbelmanipulationen einen Stirnhöhlenkatarrh heilen konnte. Außerdem wollte er gern seinen Gesichtsausdruck sehen, wenn er dem Kerl erklärte, dass er Keara Abelard umgebracht hatte, als er sie wegen eines herkömmlichen Spannungskopfschmerzes behandelt hatte.
    Sein letzter Ortstermin lag schon eine ganze Weile zurück. Als er neu in der Gerichtsmedizin angefangen hatte, war er oft vor Ort unterwegs gewesen – ganz besonders, wenn er in einen komplizierten Fall von Infektionskrankheiten involviert war –, und einige Male wäre er fast gefeuert worden. Sein Chef, Dr. Harold Bingham, war drauf und dran gewesen, ihn wegen absichtlicher Missachtung von Anordnungen zu suspendieren.
    Falls Ronald Newhouse Keara tatsächlich, wie vermutet, mit Halswirbelmanipulationen behandelt haben sollte, ging es Jack auf dem Weg zum Fahrstuhl durch den Kopf, dann müsste er nicht ›therapeutische Komplikationen‹ als Todesursache auf den Totenschein schreiben, wie es jeder – einschließlich Bingham – erwarten würde. Er müsste noch nicht einmal ›unbeabsichtigter Unfall‹ notieren, wie man es in solchen Fällen noch bis in die
Neunzigerjahre getan hatte, bevor man zu dem Begriff ›therapeutische Komplikationen‹ übergegangen war. Jack wurde klar, dass er ›Mord‹ als Todesursache eintragen und die Fallakte an den Bezirksstaatsanwalt weiterleiten könnte, so wie man es auch bei eindeutigeren Kriminalfällen tat. »Was gäbe das für einen Aufruhr«, sagte er sich und stieg mit einem boshaften Lächeln in den Fahrstuhl. Und als er den Gedanken fortspann, kam er zu dem Schluss, dass eine solche »politische Bombe« vielleicht notwendig war, um die Öffentlichkeit auf die Gefahren der zervikalen Manipulation aufmerksam zu machen.

Kapitel 9
12:55 Uhr, Montag, 1. Dezember 2008 New York City (19:55 Uhr, Kairo)
    A ls Jack vor Ronald Newhouses Praxis in der Fifth Avenue ankam, fühlte er sich so gut wie seit Mona ten nicht. Durch Keara Abelard motiviert hatte er endlich die perfekte Ablenkung gefunden: ein Kreuzzug zur Aufdeckung der Gefahren alternativer Medizin. Er brannte darauf, dem Mann von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.
    Jack sprang von seinem Rad und machte sich daran, die Sammlung von Schlössern anzulegen, mit denen er sein Trekkingrad stets sicherte. Als er gerade das letzte Schloss anbringen wollte, klopfte ihm jemand von hinten auf die Schulter.
    Jack schaute auf und in das Gesicht eines uniformierten Türstehers, der in seinem weiten Übermantel mit zwei Reihen blank polierten Messingknöpfen aussah, als wäre er gerade aus einer Filmkulisse herausgestiegen. »Es tut mir leid«, sagte er in einem Ton, der klang, als täte es ihm ganz und gar nicht leid, »Sie können Ihr Rad hier nicht abstellen. Das verstößt gegen die Vorschrift.«
    Jack konzentrierte sich auf das letzte Schloss, bis auch dieses sicher angebracht war.
    »Hör mal, Freundchen!«, sagte der Türsteher. »Hast du verstanden? Du kannst das verdammte Fahrrad nicht hierlassen. Das ist Privatbesitz.«

    Jack richtete sich wortlos auf, griff in seine Hosentasche, zog die Brieftasche heraus und ließ seine offizielle Dienstmarke von der New Yorker Rechtsmedizin aufblitzen. Wenn man nicht genau hinschaute, hielt sie jedermann für eine Polizeimarke.
    »Verzeihung, Sir!«, sagte der Türsteher hastig.
    »Schon in Ordnung«, sagte Jack, »das Rad wird hier nicht lange stehen.«
    »Kein Problem, Sir. Ich werde ein Auge darauf haben. Kann ich Ihnen sonst irgendwie behilflich sein?«
    »Ich will mit Ronald Newhouse sprechen«, sagte Jack. Er konnte sich einfach nicht überwinden, den Titel »Doktor« zu verwenden. Außerdem ließ er im Unklaren, ob er in offizieller Mission oder als Patient gekommen war.
    »Hier entlang, Sir«, sagte der Portier unterwürfig, zeigte auf die Eingangstür und führte Jack ins Foyer. Er öffnete die Innentür mit einem Schlüssel und wies durch das Foyer: »Dr. Newhouses Praxis liegt am Ende der Halle, erste Tür links.«
    »Ich danke Ihnen«, antwortete Jack und fragte sich, ob der Mann wohl

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