Obduktion
bei der circa hundertsechzig ungemeldete Fälle von Hirnschlag nach Manipulationen an der Wirbelsäule angegeben wurden. Jack fragte sich, wie so etwas nur geschehen konnte.
Er legte beide Hände an seinen Kopf und schüttelte ihn ungläubig. Wieso waren diese Tatsachen nicht allgemein bekannt?
Nachdem er einige Minuten lang über den Sachverhalt nachgedacht hatte, aber zu keinem Ergebnis gekommen
war, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Fall Keara Abelard.
Ärgerlich wühlte er in dem Papierberg auf seinem Schreibtisch herum, bis er schließlich die Nummer von Kearas Freundin fand, die ihr den Chiropraktiker empfohlen hatte.
Er wählte und versuchte, sich zu beruhigen, während die Verbindung aufgebaut wurde. Er wusste, dass es sich als kontraproduktiv erweisen könnte, Kearas Freundin unter Druck zu setzen. Als sie ans Telefon ging, stellte Jack sich und seine Behörde so ausgewogen und höflich wie möglich vor. Auf seine Einführung wurde nur mit Schweigen geantwortet.
»Sind Sie noch dran?«, fragte Jack. »Sie sind doch Nichelle Barlow, oder?«
»Rufen Sie aus dem Leichenschauhaus an?«, fragte die Frau mit unverhohlener Sorge.
»Das tue ich. Sind Sie Nichelle Barlow?«
»Ja«, antwortete sie zögernd und stellte sich offenkundig schon auf Nachrichten ein, die ganz sicher nicht gut sein würden.
»Ich habe Ihre Nummer von Mrs Abelard. Ich hoffe, ich störe Sie nicht.«
»Schon in Ordnung«, antwortete sie vorsichtig. »Rufen Sie wegen Keara an?«
»Genau. Ich vermute, Sie sind gestern Abend nicht mit ihr und ihren Freunden aus gewesen?«
»Nein. Bin ich nicht. Aber sagen Sie mir bitte nicht, dass sie …«, entgegnete Nichelle, aber sie konnte ihren Satz nicht zu Ende bringen.
»Leider ist Keara gestern Abend verstorben«, sagte Jack. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen die schlechte Nachricht überbringen muss.«
»Was ist geschehen?«
»Sie hatte einen Schlaganfall.«
»Einen Schlaganfall?«, fragte Nichelle ungläubig. »Keara war so alt wie ich, erst siebenundzwanzig.«
»Schlaganfälle nehmen zwar im Alter zu, aber schon Kinder können einen haben.«
»Das kann ich einfach nicht glauben. Ist das vielleicht irgend so ein kranker Witz?«
»Ich fürchte nein, Miss Barlow«, sagte Jack ruhig. »Ich rufe Sie an, weil ich die Todesursache Ihrer Freundin untersuche. Jeder unerwartete Tod einer augenscheinlich gesunden Person ohne bekannte Todesursache fällt in die Zuständigkeit der Behörde für Rechtsmedizin. Was ich jetzt brauche, sind Informationen. Wussten Sie, dass Keara unter Kopfschmerzen litt?«
»Sie hatte davon erzählt. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sie besonders schlimm waren. Eher lästig als hinderlich.«
»Hat sie sie Ihnen beschrieben?«
»Schon. Sie sagte, sie wären hinter ihren Ohren. Rechts stärker als links. Sie sagte, sie bekäme sie, wenn sie unter Stress sei, und mit ihrem neuen Job hätte sie jede Menge Stress.«
»Ihre Mutter sagte mir, Sie hätten ihr einen Chiropraktiker empfohlen?« Jack bemühte sich, seiner Stimme einen neutralen Klang zu geben, um nicht anklagend zu klingen.
»Keara hat mir erzählt, dass Ibuprofen bei ihr nicht hilft. Und deshalb habe ich ihr meinen Chiropraktiker empfohlen.«
»Hat sie Ihren Rat beherzigt?«
»Es klang so als ob. Aber ich weiß es nicht mit Sicherheit. Zum letzten Mal habe ich sie am Mittwoch gesprochen. «
»Wie heißt der Chiropraktiker?«
»Dr. Ronald Newhouse. Ein toller Doktor.«
»Sie nennen ihn Doktor, aber Ihnen ist schon klar, dass er kein Arzt ist, oder?«
»Er ist schon ein Doktor, er darf nur nicht operieren oder Medikamente verschreiben.«
Jack spürte, wie der Ärger wieder in ihm hochkam, aber er kämpfte dagegen an. Er würde Nichelles Auffassung davon vermutlich nicht ändern können, aber er wollte ihre Fehleinschätzung wenigstens nicht ganz unkommentiert stehen lassen. »Ihr Chiropraktiker mag sich zwar Doktor nennen, aber er ist ein Doktor der Chiropraktik und kein Mediziner. Können Sie mir sagen, wo Dr. Newhouse seine Praxis hat?«
»In der Fifth Avenue zwischen der 64. und 65. Straße. Wenn Sie einen Moment warten, kann ich Ihnen die Telefonnummer geben.«
Einen Augenblick später kam Nichelle zurück an den Hörer. Nachdem sie Jack die Nummer genannt hatte, fragte er sie: »Wie lange sind Sie schon seine Patientin?«
»Seit ungefähr acht Jahren. Er hat mich gerettet. Ich gehe mit fast allen Beschwerden zu ihm. Meistens wegen Nebenhöhlenentzündungen. Und bei
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