Obduktion
Portier war sofort an Shawns Seite.
»Werden Sie bei uns absteigen?«, fragte er höflich.
Nachdem Shawn das bejaht hatte, winkte der Portier nach einem Kollegen, der mit einem weiteren Regenschirm kam, um Sana trocken zum Eingang zu geleiten, während ein Gepäckträger die Koffer einsammelte.
Drinnen angekommen ging die Anmeldung sehr schnell. Shawn war ganz besonders erfreut, dass das Paket, das seine Assistentin aus dem New Yorker Museum geschickt hatte, bereits auf ihn wartete.
Sofort begann er, mit der Dame an der Rezeption zu plaudern.
»Sie sind keine Italienerin? Das glaube ich nicht«, sagte Shawn. »Sie haben so einen bezaubernden Akzent.«
»Ich bin Holländerin.«
»Wirklich?«, sagte Shawn. »Amsterdam ist eine meiner Lieblingsstädte.«
»Wie ich sehe, sind sie aus New York«, sagte die Dame, die geschickt versuchte, das Thema von sich auf Shawn zu lenken.
Oh bitte!, dachte Sana. Ungeduldig trat sie von einem Bein aufs andere. Sie fürchtete, Shawn würde nun seine Lebensgeschichte erzählen. Glücklicherweise managte die Dame die Situation sehr souverän, indem sie hinter dem Tresen heraustrat, um die beiden zu ihrem Zimmer zu begleiten und dabei ohne Unterbrechung von den vielen Annehmlichkeiten des Hotels mit seinem wunderschönen Ausblick und dem Restaurant zu schwärmen.
Das Zimmer lag in der dritten Etage. Shawn ging zum Fenster, von dem aus er die Spanische Treppe sehen konnte. »Komm mal her und sieh dir das an«, rief er Sana zu, die ins Badezimmer gegangen war, um nachzusehen, ob es so erstklassig war wie alles andere in diesem Hotel.
»Ziemlich faszinierend, oder?«, sagte Shawn, nachdem Sana neben ihn getreten war und beide die Spanische
Treppe bewunderten. Trotz des Regens ließen sich einige Touristen dort fotografieren. »Auch wenn wir ihn kaum sehen können, wir haben den Blick auf den Petersdom. Sollte es bis zum Morgen nicht aufhören zu regnen, müssen wir eines Tages bei schönem Wetter noch einmal herkommen, damit du ihn auch bewundern kannst.«
Sie wandten ihren Blick wieder vom Fenster ab, und während Sana ihre Koffer auspackte, öffnete Shawn sein Paket und leerte dessen Inhalt auf den Schreibtisch. »Danke, Claire«, sagte er, nachdem er alles auf Vollständigkeit überprüft hatte.
Sana stand hinter ihm und sah ihm über die Schulter. »Hast du alles bekommen, was wir brauchen?«
»Hab ich. Hier ist mein Ausweis für den Vatikan«, sagte Shawn und gab ihr die laminierte Karte.
»Dieses Foto sieht aus wie von einem Steckbrief«, witzelte Sana.
»Okay, Scherz beiseite«, lachte Shawn und schnappte ihr den Ausweis aus der Hand. Stattdessen gab er ihr die Zutrittsgenehmigung zur Totenstadt. Es war ein höchst offizielles Dokument, mit dem Siegel der päpstlichen Kommission für religiöse Archäologie. »Dies ist die Eintrittskarte, die uns heute Nacht an der Schweizergarde vorbeibringen wird.«
»Ich bin beeindruckt«, sagte Sana und gab ihm das Dokument zurück. »Scheint ja wirklich alles nach Plan zu laufen. Was ist mit den Schlüsseln?«
Shawn hielt sie hoch und klimperte damit, ehe er sie mit den anderen Sachen in seiner Tasche verstaute.
»Sieht aus, als wären wir so weit.«
Ein paar Minuten später waren sie wieder am Empfang und fragten die Männer hinter dem Tresen, wo man schnell etwas zu essen bekommen könne.
»Café Greco«, sagte einer der beiden, ohne zu zögern,
während der andere sofort zustimmend nickte. »Einfach die Treppe runter und geradeaus in der Via Condotti. Auf der rechten Seite.«
»Können Sie mir auch sagen, wo ich einen Eisenwarenhandel finde?«
Diesmal hatten die beiden keine Antwort parat und sahen sich fragend an.
Nach einigen wilden Gesten und dem Hinzuziehen eines Wörterbuches wurden Shawn und Sana zu einer ferramenta namens Gino’s dirigiert, die auf der Via del Babuino ganz in der Nähe lag.
Mit dem Stadtplan und zwei Regenschirmen ausgerüstet gingen die beiden zuerst ins Café Greco, wo sie einen kleinen Lunch zu sich nahmen, und anschließend mithilfe ihres Stadtplans zu Ginos Eisenwarenladen, der tatsächlich nicht weit entfernt lag. Das Schaufenster mit den ausgestellten Werkzeugen war staubig und sah aus, als wäre es seit Jahren nicht verändert worden. Als die Tür hinter ihnen zufiel, empfing sie eine fast andächtige Stille. Das Inventar war genauso verstaubt wie das Fenster, und an der Kasse standen etwa ein halbes Dutzend Kunden, die leise und geduldig warteten, bis sie an der Reihe waren. Ein
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