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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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private Angelegenheit.
    Jack saß noch immer an seinem Schreibtisch, an den er sich nach dem Anpfiff in Binghams Büro zurückgezogen hatte. Er schaute in seine Ablage. Sie quoll über von den Laborergebnissen und Informationen, die er bei anderen Ermittlern der Rechtsmedizin angefragt hatte. Er wusste,
dass er sich an die Arbeit machen sollte, aber er konnte sich nicht dazu überwinden anzufangen.
    Er schaute hinüber zu seinem Mikroskop und den Stapeln von Gewebeproben, die seine Aufmerksamkeit verlangten. Jeder Stapel gehörte zu einem anderen Fall. Aber diese Art von Arbeit konnte er jetzt nicht machen. So abgelenkt, wie er gerade war, könnte er etwas Wichtiges übersehen.
    Wie gelähmt legte er seinen Kopf in die Hände. Mit den Ellenbogen auf dem Tisch und mit geschlossenen Augen versuchte er, sich darüber klar zu werden, ob er gerade eine Depression entwickelte. Das durfte er nicht noch einmal geschehen lassen. »Selbstmitleid«, zischte er laut mit gesenktem Kopf durch die zusammengebissenen Zähne.
    Ein so hartes Urteil gegen sich selbst auszusprechen, war wie ein Schlag ins Gesicht. Jack richtete sich wieder gerade auf. Er hatte seinen toten Punkt überwunden und sammelte neue Kraft. Angriff ist die beste Verteidigung — mit dieser Überzeugung war er in das Treffen mit Bingham und Calvin gegangen, und er hätte daran festhalten sollen, anstatt sich aus Angst vor der Freistellung in einen Feigling zu verwandeln. Jack konzentrierte sich nun wieder auf seinen Kreuzzug gegen die Alternativmedizin. »Fahr zur Hölle, Bingham«, bellte er. Statt sich von Bingham eingeschüchtert zu fühlen, wurde er plötzlich trotzig. Ursprünglich hatte er sich nur von JJs Krankheit ablenken wollen, aber inzwischen betrachtete er seinen Kreuzzug als legitim und auf jeden Fall sinnvoll. Das war mehr als nur eine Schreibübung für eine forensische Fachzeitschrift. Im Gegenteil, es war geradezu seine Pflicht, die Öffentlichkeit über ein Thema zu informieren, um das man sich unbedingt kümmern müsste.

    Mit neuer Motivation hob Jack den Kopf und schob seinen Stuhl von der Arbeitsfläche des Schreibtisches zum Monitor. Mit ein paar Mausklicks checkte er seine E-Mails und schaute nach, ob schon einer der Kollegen auf seine Anfrage zu Fällen im Zusammenhang mit Alternativmedizin geantwortet hatte. Er hatte nur zwei Antworten bekommen, von Dick Katzenberg aus Queens und von Margaret Hauptman aus Staten Island. Leise verfluchte er die anderen, die noch nicht geantwortet hatten.
    Er nahm ein paar Karteikarten zur Hand und schrieb die Namen und Aktenzeichen der beiden Fälle auf. Danach verschickte er eine neue Rundmail an alle Rechtsmediziner, in der er Dick und Margaret namentlich für ihre Antworten dankte und die anderen dazu ermahnte, ihrem Vorbild zu folgen.
    Dann schnappte er sich die Karteikarten und seine Jacke und machte sich auf den Weg. Er wollte sich die Akten der beiden Fälle beschaffen, und dafür musste er im Archiv im neuen OCME-Gebäude an der 26. Straße vorbeischauen.
    Jack hastete an dem alten, aber frisch renovierten Bellevue Hospital vorbei und hinüber ins neue OCME-Gebäude, das von der First Avenue durch einen kleinen Park getrennt war. Das Gebäude selbst war ein moderner Wolkenkratzer mit blau gefärbtem Glas und gelber, polierter Kalksteinfassade und überragte die alte Klinik. Jack war stolz auf das Gebäude und stolz auf die Stadt New York, weil sie es gebaut hatte.
    Er zeigte seinen OCME-Ausweis und wurde durch die Sicherheitsdrehtür gesummt. Das Archiv befand sich im vierten Stockwerk in einem makellosen Büro mit quer stehenden Regalschränken aus Holzimitat, die vom Boden bis zur Decke reichten. Jeder dieser schweren Schränke
enthielt acht horizontale, hundertzwanzig Zentimeter breite Regale. Am Ende des Tages wurden vor den Gängen zwischen den Schränken Falttüren aus demselben Kunstholz zugezogen und abgeschlossen.
    Am Empfangstresen der Abteilung saß eine freundliche Frau namens Alida Sanchez. »Was können wir für Sie tun«, fragte sie mit beschwingtem Tonfall. »Sie sehen ganz besonders motiviert aus.«
    »Ich schätze, das bin ich auch«, räumte Jack ein und erwiderte das Lächeln. Er reichte die beiden Karteikarten hinüber und bat Alida um die entsprechenden Akten.
    Sie warf einen Blick darauf, bevor sie sich erhob. »Ich bin sofort wieder da.«
    »Ich werde warten«, sagte Jack. Er sah ihr nach, wie sie in Richtung East River fortging. Man konnte den Fluss durch die Fenster

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