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Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Titel: Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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Hocker hinunter.Herrgott noch mal, sein Geschlecht wird steif. Der Lappen müßte eigentlich ausgewaschen werden, aber jetzt schiebe ich schnell mit einem Fuß seine Beine ein Stück auseinander und wasche ihm die Leisten und das Geschlecht, das dadurch noch steifer wird. Hastig schüttele ich den Waschlappen ab und drehe die Hähne auf.
    »Kalt«, klagt er wieder.
    »Selber schuld«, antworte ich.
    Langsam sinkt sein Geschlecht wieder zwischen seine Beine. Nachdem ich ihn abgebraust habe, frage ich mich, ob ich sein Haar – »noch schön dicht!« würde Ada sagen – auch waschen soll. Nein, für heute reicht es. Ich trockne ihn ab. Er schafft es, einen Moment auf eigenen Beinen zu stehen.
    Als ich in der Tür seines Schlafzimmers stehe wie ein Bräutigam vergangener Zeiten, sehe ich, daß ich etwas falsch gemacht habe. Das Bett ist noch nicht fertig. Ich setze Vater mit dem feuchten Handtuch um die Taille auf den Stuhl am Fenster. Sein schmutziger Schlafanzug liegt als Stoffhäufchen neben einem der Stuhlbeine. Ich beziehe alles mit frischer Wäsche aus dem Schrank. Dann lege ich ihn aufs Bett und ziehe ihm einen sauberen Schlafanzug an. Meine nassen Kleider stören mich, und es ist kalt im Zimmer. Ich stelle die beiden Kissen am Kopfteil hoch und decke ihn zu.
    »Ich wollte, ich wär tot«, sagt er leise.
    »Wo du gerade so schön sauber bist?« frage ich.
    »Es ist die Krähe«, sagt er und zeigt mit zitterndem Finger nach draußen.
    »Was ist mit der Krähe?«
    »Sie wartet auf mich.«
    »Ach was.«
    »Doch.«
    »Wie du meinst«, sage ich.Zentralheizung – davon wollte er nichts hören. Mutter schon, aber ihre Stimme zählte nicht. Es gibt zwei Ölöfen, einen in der Küche und einen im Wohnzimmer. Jetzt bekommt er die Folgen am eigenen Leib zu spüren, da oben. Früher ließ er, wenn es draußen fror, nachts den Ofen im Wohnzimmer auf niedriger Stufe brennen und die Tür des Elternschlafzimmers offenstehen. Wenn Henk und ich aufwachten, konnten wir nicht raussehen, so üppig blühten die Eisblumen auf den Scheiben.

    Das warme Wasser kommt bei uns aus einem Boiler. An Vater habe ich nicht allzu viel davon vergeudet, es reicht also noch für mich. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt mitten am Tag unter der Dusche gestanden habe. Jetzt rieche ich selbst nach Menthol. Ich fühle mich jung und stark, aber als ich mein Geschlecht in die Hand nehme, fühle ich mich auch seltsam nutzlos und leer. Unwillkürlich vergleiche ich es mit dem von Vater. Meins ist größer, und allein schon diese Feststellung läßt es schwellen. Als ich mich gerade frage, was das bedeuten könnte, klingelt es. Ich spüre, wie sich mein Sack in meiner Hand zusammenzieht. Hier klingelt fast nie jemand, im ersten Moment war mir nicht einmal klar, daß es die Türklingel war, die ich hörte. Ich drehe die Hähne zu und warte ab, was jetzt kommt. Eine Ader in meinem Hals klopft spürbar; Tropfen, die auf den gefliesten Boden fallen, donnern wie ein Wasserfall. Es bleibt still. Ich trockne mich langsam ab und ziehe eine Unterhose an. Meine Sachen liegen im Schlafzimmer. Ich öffne die Badezimmertür und sehe vor der schmalen, hohen Mattglasscheibe der Vordertür nichts stehen. Bevor ich durchs Wohnzimmer gehe, spähe ich am Türpfosten vorbei, für den Fall, daß jemandvor dem Fenster steht. Niemand. Ich gehe ins Schlafzimmer, wo die Jalousie geschlossen ist. Während ich trockene Sachen anziehe, fallen mir wieder die fransigen Ränder der Decken auf. Als ich fertig angezogen bin, gehe ich in den Flur und öffne die Vordertür. Die Straße ist leer. Die Nebelkrähe starrt mich an.
    Dem Großen Vogelbuch zufolge ruft sie »kgrra, kgrra«, aber das habe ich von ihr noch kein einziges Mal gehört.

    Den ganzen Nachmittag höre ich das Schellen der Klingel im leeren Flur. Ich gehe die Schafe zählen, und obwohl es nur dreiundzwanzig sind, muß ich viermal von vorn anfangen. Vor ein paar Tagen habe ich den Bock geholt und dem Bauern zurückgebracht, der mir jedes Jahr einen ausleiht. Den Deckstempel habe ich wieder in der Scheune aufgehängt. Erst spät am Nachmittag, als ich unter den Kühen hocke und es schon dunkel geworden ist, denke ich an die Gestalt, die neulich reglos vor dem Hof stand.
10
    Der andere Milchfahrer, der junge mit dem ewigen Lächeln, steht in der Milchkammer.
    »Hallo Helmer«, sagt er, als ich hereinkomme. Wenn der alte, mürrische da ist, gehe ich meistens nicht in die Milchkammer. Er stützt sich mit einer Hand

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