Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still
hatten, rund acht Monate vor Mutters Tod. Alle Jahre wieder ist es ein seltsames Gefühl, im Frühling die knorrige Magnolie in dem sonst völlig verwilderten Garten blühen zu sehen. Eine halbe Seitenmauer hält noch stand, aber sicher nicht mehr lange.
Die Naturschutzleute von Staatsbosbeheer möchten das Grundstück kaufen.
Jetzt tut es mir leid, daß mein Bett im Neujahrsfeuer verbrannt ist. »Schon wieder ein Bett?« fragte der joviale Verkäufer gestern, als ich meinen Wunsch nach einem preiswerten Fichtenholzbett äußerte. »Ja«, sagte ich, »schon wieder ein Bett.« Ob ich keine Matratze dazu haben wollte? Nein, eine Matratze brauchte ich nicht. In dem anderen Geschäft bediente mich diesmal nicht das junge Ding mit den schwarzen Zöpfen, sondern eine ältere, müde Frau. Ich habe eine schmale Steppdecke, zwei Bezüge und zwei weiße Spannbettücher gekauft, alles Ausverkaufsartikel. Farbe oder Muster waren mir egal. Weil ich mit meinen Einkäufen zufrieden war, habe ich mir anschließend bei der Fischräucherei ein Pfund Aal geholt. Die langen Seitenbretter des Betts habe ich dann so ins Auto geschoben, daß sie ein Stückchen durch die Fenster der Beifahrertür und der linken Hintertür ragten. Auf dem Heimweg habe ich mich bemüht, in gleichmäßigem Tempo zu fahren, ohne starkes Beschleunigen oder Bremsen.
Bevor ich mich an die Arbeit mache, Öffne ich das Kippfenster ein StÜckchen und lege auf dem blauen Teppichboden Zeitungen aus. Ich habe das Transistorradio aus
der Küche mit nach oben genommen. Mit dem Radio macht Anstreichen Spaß. Wenn ich im Sommer draußen streiche, höre ich immer Radio Tour de France. Wer gewinnt
oder verliert, interessiert mich nicht, es geht mir um die Berichte als solche. Mit der Decke fange ich an, die ist schon weiß, also reicht eine
Schicht. Die Tapete an den Wänden hat ein Muster, ein Sechziger-Jahre-Muster. Bei Reeuwijk ist ein Tankwagen umgekippt, vier Männer in gelben Schutzanzügen
sind dabei, das Kalziumhydroxid zu beseitigen. Anwohner in der unmittelbaren Umgebung sollen Türen und Fenster geschlossen halten. Die Latexfarbe trocknet schnell, und
von dem Muster ist immer weniger zu sehen. Eigentlich hatte ich nur Wände und Decke streichen wollen, aber jetzt stört mich der klarlackierte Holzrahmen des
Kippfensters. Thom de Graaf von D66 erklärt, welche Vorteile eine Direktwahl des Ministerpräsidenten hätte. Ob wir dann einen Premier mit knackigem Hintern bekämen, will der Reporter wissen. Die Frage bringt de Graaf nicht aus dem Konzept. Ich höre immer nur Journalisten von knackigen Hintern reden, sagt er. Ich starre das Radio an, ich kann nicht glauben, daß ich höre, was ich höre. Die Tür ist glänzend weiß. Als ich mit der ersten Schicht Wandfarbe fertig bin, gehe ich in die Scheune und nehme die blaugraue Grundfarbe aus dem Giftschränkchen. Ich wiege die Dose in der Hand und stelle fest, daß noch genug für die Tür und das Fenster übrig ist. Mit der Grundfarbe, einem Blatt Schmirgelpapier und einem Pinsel steige ich die Treppe wieder hinauf. Ich schmirgle das Holz ganz vorsichtig ab, die Wandfarbe ist noch nicht trocken. Im indonesischen Wörterbuch kommt das Wort »Schlittschuhlaufen« nicht vor, aber in einem Einkaufszentrum in Jakarta läuft man jetzt auf einer Kunsteisbahn Schlittschuh. In Indonesien gibt es angeblich keine Wirtschaftskrise, trotzdem ist die Bevölkerung sehr unzufrieden mit Präsidentin Megawati. Als ich das Holz mit der Grundfarbe gestrichen habe, kommen die Wände ein zweites Mal an die Reihe. Die Rolle bringt das Muster wieder zum Vorschein. Heute abend noch mal nachschauen, wie gut die zweite Lage wirklich gedeckt hat. Örtlich fällt schon etwas Regen, später kommt von Westen her überallRegen auf. Morgen zunächst starke Bewölkung, im Laufe des Tages Aufheiterungen.
Ich schalte das Licht in Henks Zimmer an. Um an den Nachttisch heranzukommen, muß ich erst allerlei Krempel zur Seite schieben. Ich trage den Nachttisch ins neue Zimmerchen und streiche ihn ebenfalls mit der Grundfarbe. Anschließend schaue ich bei Vater vorbei.
Er schnüffelt. »Streichst du?«
»Ja.«
»Was denn jetzt wieder.«
»Das neue Zimmerchen.«
»Warum?«
»Für den Knecht.«
»Den Knecht?«
»Ja. Hatte ich das noch nicht erzählt?«
»Ich liege hier immer nur, ich weiß von nichts.«
»Ich hab es dir erzählt, du hast es vergessen.«
»Ich vergesse nichts.«
»Wie du meinst. Ich hab Aal gekauft, möchtest du nachher
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