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Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Titel: Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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dann meistens für Brei. DieHoftür der Milchkammer steht offen, draußen riecht es nach Frühling. Die Vorstellung, daß die Bäume wieder ausschlagen werden und daß dann um die Stämme herum die Narzissen blühen, rumort in meinem Bauch. Beim Gedanken an Lämmer unter bleicher Frühlingssonne werden mir fast die Arme schlapp, einen Augenblick kann ich kaum den aufgeklappten Deckel des Kühltanks festhalten. Wieder ein Frühling, der allen vergangenen Frühlingen gleichen wird. Ich denke das nicht, ich empfinde es so. Bevor ich in die Küche zurückgehe, muß ich durch die geöffnete Tür einen kurzen Blick auf die Bäume am Rand des Hofs werfen. Sie sind kahl und naß. Es regnet und regnet, wir haben Ende Januar, und im Februar kann es noch tüchtig frieren.
    Als ich in die Küche zurückkomme, sitzt Henk noch genauso da wie vorhin; auf meinem alten Platz, mit dem Rücken zur Tür. Auf seinem Teller liegt eine Scheibe Brot, ohne Butter, ohne Belag oder Aufstrich. Ich nehme einen Becher aus einem Hängeschrank, fülle ihn mit Milch und stelle ihn neben seinen Teller.
    »Danke schön«, sagt Henk.
    »Bitte«, sage ich.
    Ich setze mich hin. Er hat keinen Schrank in seinem Zimmer, fällt mir ein. Wenn er seine Sachen aus dem Rucksack nimmt, wo soll er sie dann hinlegen? »Hast du keinen Hunger?« frage ich.
    »Geht so.« Er sticht mit seinem Messer in die Butter und streicht eine dünne Schicht auf sein Brot. Dann legt er das Messer hin und mustert Belag und Aufstrich: Käse, Erdnußmus, Marmelade, Wurst und Schinken. Er entscheidet sich für die Marmelade.
    »Die hat meine Nachbarin gemacht«, sage ich.
    »Ah.«
    »Brombeermarmelade.«
    Bevor er anfängt zu essen, nimmt er einen Schluck Milch.
    »Und?«
    »Hm?«
    »Wie schmeckt die? Frische Kuhmilch?«
    Er nimmt noch einen Schluck. »Nach Metall«, sagt er.
    Seine Ohren sind gar nicht so riesig, bei genauerem Hinsehen. Sie stehen ein bißchen ab, und deshalb wirken sie groß. Wenn er kaut, bewegen sie sich auf und ab.

    »Ich habe zwanzig Milchkühe. Das ist sehr wenig.«
    »Riecht gut hier«, meint Henk.
    »Findest du?«
    »Ja.«
    »Ganz anders als Schweine?«
    Darauf gibt er keine Antwort. Er wirft mir einen Blick zu, der alles sagt. Die Stalltür steht offen. Ich lasse ihn vor. Er ist nicht viel länger als ich, trotzdem wirkt er ein Stück größer. Er ist kräftiger gebaut. Ich werde auf dem Wagen stehen und die Heuballen stapeln, er wird sie hochwuchten, Teun und Ronald werden sie zum Wagen wälzen. Der Gedanke an den Frühsommer macht mir nichts aus; kein Rumoren im Bauch, keine schlappen Knie.
    »Da steht das Jungvieh.«
    Die Jungrinder schnauben und schauen sich um, als wir hereinkommen.
    »Das einzige, was sie tun, ist Fressen, Schlafen und Scheißen«, sage ich.
    »Gibt’s hier keinen Entmister?« fragt er.
    Er stellt eine Frage, das ist etwas Neues. »Nein«, sage ich.
    »Und was macht man da?«
    »Ganz einfach: schaufeln und wegkarren.«
    »Ah.«
    Ich gehe nach draußen und um die Ecke. Bevor ich die Seitentür öffne, zeige ich auf den Misthaufen. »Siehst du das Brett? Da muß man mit der Schubkarre rauf.«
    »Bißchen schmal«, meint Henk.
    Wir gehen in den Schafstall. Das Holz und die Backsteine sind durchtränkt von dem trockenen Geruch nach Schafen und Mist. Auch wenn ich die Tür und alle Fenster monatelang offenlasse, niemals wird dieser Geruch aus dem Stall verschwinden. Die längste Zeit des Jahres steht er leer. Schafe vertragen alles: Trockenheit, Regen, Schnee; nur daß sie in einem sehr nassen Herbst und Winter leicht die Hinke bekommen.
    »In zwei Monaten ungefähr holen wir die Schafe rein.« Wir, sage ich. Unser Rundgang, bei dem ich Henk in den Kuhstall, den Jungviehstall und den Schafstall führe, macht uns anscheinend schon zu Bauer und Knecht.
    »Warum?« fragt er.
    »Weil sie dann bald ablammen.«
    »Was?«
    »Ablammen. Lammen.«
    »Ach so, ja, lammen.«
    »Wie sagt man, wenn Schweine Ferkel bekommen?«
    »Ferkeln.«
    Er schaut mich an, als ob ich nicht ganz bei Trost wäre.
    Die Esel lassen ihn kalt. Der Form halber fragt er, wie sie heißen. Ich antworte, daß sie keine Namen haben. Sie haben die Köpfe begeistert über das Gatter gestreckt, aber Henk ignoriert sie, er schaut starr auf das Wandbrett mit dem Hufwerkzeug. Als ich sage, daß es hoffentlich bald trocken wird, damit sie wiedernach draußen können, verläßt er den Eselstall. Von allen Menschen, die jemals auf dem Hof gewesen sind, ist er der erste, der die Esel nicht

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