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Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Titel: Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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Zögern hebe ich auch eine weiße Unterhose vom Boden auf und lasse sie wie einen Klacks Sahne auf die anderen Sachen fallen. Der Rucksack liegt immer noch unter dem Kippfenster, das jetzt fast zur Hälfte von einer dünnen Schneeschicht bedeckt ist. Bevor ich das Zimmer verlasse, schalte ich die Lampe an. Sanftes Licht scheint aufs Bett, die gelben Giraffen schimmern auf.

    Ich drehe das Sofa, das dem Ofen gegenübersteht, um neunzig Grad und schiebe es ein Stückchen nach hinten. Jetzt steht es vor der Wand zum Schlafzimmer. DasSchleifen und Schieben hat den Anstrich des Bodens beschädigt. Das Wohnzimmer war lang, jetzt ist es breit. Bevor ich den Fernseher in seine Ecke trage, hole ich aus der Scheune eine Kartoffelkiste und mache sie mit einer groben Bürste sauber. Ich stelle den Fernseher auf die Kiste, stöpsle das Kabel in eine dafür bestimmte Öffnung am Apparat und das andere Ende in das Kästchen an der Wand, in den Anschluß, über dem TV steht. Es gibt auch einen mit R. Dann schalte ich den Fernseher an. Das Bild ist sofort da, und mit ihm ein Höllenlärm. Weil ich nicht weiß, wie ich die Lautstärke herunterstellen kann, schalte ich gleich wieder aus. Ich nehme die Gebrauchsanweisung, setze mich auf den Holzboden und lese sie komplett durch. Nach einer Stunde habe ich ungefähr zwanzig Sender eingestellt, außerdem weiß ich, wie die Fernbedienung funktioniert, und mein Hintern ist gefühllos. Zum Schluß bessere ich die beschädigten Stellen auf dem Boden aus.

    Am Abend sitze ich allein am Küchentisch. Seit ich heute Mittag in seinem Zimmer war, habe ich von Henk nichts mehr gesehen oder gehört. Gleich bringe ich Vater sein Essen. Henk nicht; wenn er Hunger hat, wird er schon auftauchen. Beim Essen habe ich die Zeitung nach Berichten über Dänemark durchforscht. Nichts. Und auch nichts über Schweden, Norwegen oder Finnland. Skandinavien existiert für die Zeitung einfach nicht, als wäre es irgendein noch unentdecktes Nordland. Jetzt ist die Zeitung auf der Fernsehseite aufgeschlagen, obwohl ich weiß, daß ich allein nicht fernsehen werde. Der Apparat ist für Henk. Wenn er fernsieht, kann ich hin und wieder mitsehen.Der Eselstall sieht wunderschön aus. Es schneit nicht mehr, der Himmel ist jetzt klar, der Mond fast voll. Auf dem Dach des Stalls liegen etwa acht Zentimeter Schnee, an den Rändern schön abgerundet. Es friert leicht, aber ich glaube nicht, daß der Frost bis zum Morgen anhält. Ich stopfe etwas Heu in die Raufe und setze mich auf die Heuballen. In der Lichtbahn der Lampe sehe ich meine eigenen Fußspuren, die von der Tür des Kuhstalls hierherführen. Der Atem der Esel kommt in kleinen Wölkchen aus der Raufe, zwischen den Stäben hindurch. Bis auf ihr geräuschvolles Kauen ist es vollkommen still. Winterstill. Ein fast vergessener Wunsch zu rauchen regt sich wieder. Wie lange dauert es, bis man mit einer Zigarette fertig ist? Fünf Minuten? Zehn Minuten? Zehn Minuten inhalieren und ausatmen, nachdenken im Rhythmus des Rauchens, während sich der Zigarettenrauch mit den Atemwolken der Esel mischt. Wenn Henk morgen nicht im Bett liegen bleibt, lasse ich ihn den Eselstall ausmisten.
31
    »Vorgestern hat er den ganzen Tag im Bett gelegen.«
    »Siehst du.«
    »Was?«
    »Daß er das macht, einfach im Bett liegen. Und er spricht auch nicht, stimmt’s?«
    »Na ja, manchmal sagt er ziemlich viel. Aber als er im Bett lag, nichts mehr.«
    »Nein, dann liegt er in einer Art Koma.«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Als ob er sich ausschalten könnte.«
    »Gestern hat er das Jungvieh versorgt und an Vaters altes Rad ein neues Schutzblech montiert.«
    »Gut!«
    »Aber er hat sich geweigert, den Eselstall auszumisten.«
    »Ach?«
    »Ja. Mit Eseln will er nichts zu tun haben, hat er gesagt.«
    »Das kann ich verstehn.«
    »Ich nicht. Alle anderen sind verrückt nach meinen Eseln.«
    »Er hat Angst.«
    »Aber warum denn bloß? Die Jungs von meinen Nachbarn legen sich glatt unter die Esel, wenn sie im Stall stehen.«
    »Henk ist mal von einem Esel getreten worden, als er klein war.«
    »Nein.«
    »Doch. Wien hatte einen Zwergesel gekauft, für die Mädchen war das schön. Er war immer auf dem Stück Wiese zwischen den beiden Schweineställen. Henk ist dann einmal auf Händen und Füßen um ihn herumgekrochen – wieso, weiß ich nicht –, und da hat der Esel nach ihm getreten und ihn seitlich am Kopf getroffen. Er hat eine Woche im Krankenhaus gelegen.«
    »Daher die Narbe.«
    »Ja. Da war

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