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Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Titel: Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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Vorgarten. An welcher Straße ich wohne, möchte der Verkäufer wissen. Ich sage es ihm, und er ist sich ganz sicher, daß dort vor ein paar Jahren versuchsweise Kabelanschlüsse gelegt worden sind. Vater sehe ich nicht, er wird an dem fraglichen Tag die vorderen Räume demonstrativ gemieden haben. Da hätte ich ja Glück, fügt der Verkäufer noch hinzu. Ich frage ihn, ob ich den gerade erworbenen Fernseheralso einfach ans Kabel anschließen könne. Ja, das sei kein Problem, er werde mir gerade noch ein Anschlußkabel aus dem Lager holen. Später, meint er, würde ich wohl vom Netzbetreiber automatisch eine Rechnung bekommen.
    Als ich zum Wagen gehe, fängt es an zu schneien. Der Karton mit dem Fernseher ist nicht übermäßig schwer, aber unbequem zu tragen. Ich komme an einem Wein- und Spirituosengeschäft vorbei. Ich bringe den Fernseher zum Wagen, stelle ihn auf den Rücksitz und kehre zu der Weinhandlung zurück. Der Schnee bleibt nicht an den Schuhen haften, aber er schmilzt auch nicht sofort weg. Auf die Frage des Verkäufers nach meinen Wünschen antworte ich, daß ich gern ein paar Flaschen Rotwein hätte. Und an was ich da gedacht hätte? »Was gut schmeckt«, sage ich knapp. Er verkauft mir sechs Flaschen südafrikanischen Wein zum Preis von fünf.

    Als ich zu Hause ankomme, ist der Hof weiß, aber das Weiß ist nicht mehr jungfräulich. Von der Milchkammer führt eine Spur zum Zaun neben dem Hühnerhaus. Auf dem Zaun sitzt Henk. Er raucht. Ich stelle den Wagen in die Scheune und ziehe meine eigene Spur zum Zaun. Schneeflocken wirbeln um seine roten Ohren.
    »Wie lange muß ich eigentlich hierbleiben?« fragt er.
    »Wie?«
    »Wie lange muß ich hierbleiben!«
    »Das ist kein Gefängnis hier«, antworte ich.
    Er zieht an seiner Zigarette und stößt kurz darauf eine Rauchwolke aus.
    »Du rauchst?« frage ich.
    »Ich hab vorgestern aufgehört.«
    »Und jetzt wieder angefangen.«
    »Ja.«
    »Ich hab einen Fernseher gekauft«, sage ich. »Und eine Leselampe und ein Schutzblech und Wein.«
    »Bekomme ich auch Geld?«
    »Wofür?«
    »Für die Arbeit, die ich mache.«
    »Hast du denn schon irgendwas gemacht?«
    Er schaut auf die Zigarette, die er zwischen Daumen und Zeigefinger vor sein Gesicht hält, so daß er ein bißchen schielt. Er hat graue Augen. Dann schnippt er die Zigarette mit dem Zeigefinger weg.
    »Kost und Logis«, sage ich. »Und Taschengeld natürlich.«
    »Wieviel?«
    »Das weiß ich nicht.« Mir wird langsam kalt. Wenn es weiter so schneit, müssen wir die Schafe bald von der Koppel bei der Mühle auf die Koppel hier vorn holen. Und dann ein bißchen Heu über den Zaun werfen.
    Henk springt auf den Boden und beginnt meinen Fußspuren zu folgen.
    »Wo gehst du hin?« frage ich.
    »Ins Bett. Ich mag keinen Schnee.«
    »Ins Bett?«
    »Wo ist die Leselampe? Dieses grelle Licht macht mich wahnsinnig.«
    »Ich hab auch Birnen mit vierzig Watt.«
    »Fünfundzwanzig.«
    »Sind auch da.« Wir gehen in die Scheune. Unter der Motorhaube tickt es. Ich öffne die Heckklappe und hole die Lampe und das Schutzblech aus dem Kofferraum. Henk nimmt sich nur die Lampe und geht sofort weiter. Er verschwindet in der Milchkammer. Ich bleibe zurück und schaue ungläubig das Schutzblech in meiner linken Hand an.Er liegt auf der Seite, mit dem Gesicht zur Wand, die Steppdecke mit den afrikanischen Tieren hat er bis zu den Ohren hochgezogen. Die Leselampe steht auf dem Nachttisch, er hat sie eingestöpselt. Hat er danach erst gemerkt, daß keine Birne drin ist? Er rührt sich nicht, als ich ins Zimmer komme. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, also sage ich nichts. Ich stelle den Stuhl, den ich aus Henks Zimmer geholt habe, unter die Dekkenlampe. Mit einiger Anstrengung schraube ich die Mattglaskugel los, drehe die Fünfundsiebzig-Watt-Birne aus der Fassung und ersetze sie durch eine Fünfundzwanziger. Neben der Leselampe liegt ein Buch. Der Name des Autors sagt mir nichts. Es ist lange her, daß ich ein Buch gelesen habe. Zwischen den Seiten steckt ein abgerissener Streifen Zeitungspapier. In die Leselampe schraube ich eine Vierzig-Watt-Birne. Henk bleibt liegen, wie er liegt, seinem Atmen ist nicht anzuhören, ob er schläft. Am Vormittag hat er wie ein Mann auf dem Zaun gesessen und geraucht, jetzt liegt er wie ein Kind im Bett. An den Formen unter der Steppdecke kann ich sehen, daß er die Beine angezogen hat. Ich stelle den Stuhl an die Wand neben der Tür und lege seine Kleider auf die Sitzfläche. Nach kurzem

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