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Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Titel: Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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Waschküche zur Stalltür, neben der einer der beiden Lichtschalter ist. Ich mache das Licht in der Waschküche aus und stelle mich in etwa zwei Meter Entfernung vor das Fenster zur Milchkammer. Der junge Milchfahrer starrt die Tür an, schüttelt dann den Kopf und schaut in den Tank. Kurz darauf schraubt er den Schlauch ab und kurbelt ihn auf die Rolle. Er hakt den Deckel des Milchtanks los und läßt ihn vorsichtig herunter. Dann füllt er ein Formular aus, schaut sich noch einmal in der Milchkammer um, geht hinaus, öffnet die Tür des Fahrerhauses und springt hoch, elastisch wie immer. Der Milchwagen verschwindet, und helles Licht flutet in die Milchkammer. Der Tank blinkt.
    Von wegen Verbundenheit.

    Ich gehe in den Flur und dann die Treppe hinauf, trage Vater nach unten und setze ihn auf die Toilette.
    »Au«, höre ich ihn leise sagen.
    »Was ist?« frage ich durch die geschlossene Toilettentür.
    »Es tut weh.«
    »Gut abwischen«, sage ich.
    »Es tut weh«, wiederholt er.
    Ich öffne die Tür. Wie ein halbtotes Vögelchen sitzt er auf dem Topf, ein Stück Klopapier in der zögernden Hand. Er blickt mit großen, hilflosen Augen zu mir auf.»Bleib sitzen«, sage ich. Ich gehe in die Küche, nehme einen Waschlappen aus dem Wäscheschrank, drehe den Warmwasserhahn auf und feuchte den Lappen an. Dann gehe ich zur Toilette zurück. »Du mußt dich etwas vorbeugen«, sage ich. Er tut es. Vorsichtig wische ich mit dem warmen Waschlappen ein paarmal seinen Hintern ab. »Hose rauf«, sage ich, als ich ihn an den Achseln hochziehe. Er gehorcht. Ich trage ihn nach oben. Aus dem neuen Zimmerchen dringen seltsame Geräusche, schrill und rhythmisch. Ich lege Vater ins Bett und decke ihn zu. Danach marschiere ich zum neuen Zimmerchen. Ich öffne mit einem Ruck die Tür, bin mit zwei Schritten an Henks Bett und reiße ihm den Kopfhörer des Walkmans von den Ohren. »Und jetzt stehst du endlich auf, verdammt noch mal!« rufe ich.
    »Nein«, sagt Henk.
    Ich ziehe ihm die Steppdecke weg und zerre ihn an einem Arm vom Bett. Er hat keine Zeit, die Beine anzuziehen und die Füße hinzustellen, deshalb rollt er auf den Boden. »Steh auf«, rufe ich.
    »Langsam«, sagt er.
    »Steh auf!«
    Er rappelt sich hoch.
    »Zieh dich an.« Mit einem Tritt befördere ich seine Hose zu ihm hin. Sie landet auf seinen nackten Füßen. Er starrt sie an. Schlagen möchte ich ihn, schlagen und treten, der Anblick seines halbnackten Körpers hier in dem kleinen Zimmer ist mehr, als ich jetzt ertragen kann. Statt dessen gehe ich zu dem Poster, das unschuldig vor der Fußleiste liegt. Ich bücke mich und fange an, es zu zerreißen. Henk schaut mich an und steigt in seine Hose. Danach zieht er sich ein T-Shirt über den Kopf.
    »Teun wird sich freuen«, sagt er dümmlich.
    »Socken«, kommandiere ich.
    Er setzt sich aufs Bett und zieht seine Socken an.
    Ich packe ihn am Arm, ziehe ihn hoch und schiebe ihn zur Tür. »An die Arbeit«, sage ich. Aber was soll er tun? denke ich.
    Er geht ruhig in den Flur, rennt plötzlich zu Vaters Tür, öffnet sie und verschwindet im Zimmer. Eine Ader in meinem Hals klopft so stark, daß ich meine Hand dagegenpressen muß. Einen Moment rühre ich mich nicht vom Fleck, dann drehe ich mich um und gehe ins neue Zimmerchen zurück. Ich hebe den Walkman auf und lege ihn auf den Nachttisch. Die Steppdecke ist hinter dem Bett auf den Boden gerutscht, das halbe Gesicht der Sängerin, deren Namen ich vergessen habe, liegt vor meinen Füßen. Mit dem großen Zeh wippe ich das dicke Papier ein paarmal hoch. Ich nehme die Steppdecke, lege sie ordentlich aufs Bett und strecke mich auf den dunkelblauen Buchstaben und Ziffern aus. Ich schließe die Augen.

    Ein paar Stunden müssen vergangen sein. Ich habe Hunger. Geschlafen habe ich nicht, auch kaum nachgedacht. Ich liege auf einem Bett, das nicht meins ist, und habe die ganze Zeit mein eigenes großes Bett vor Augen. Früher bin ich ins Bett gegangen, um zu schlafen, und aufgestanden, um zu melken. Ich stelle fest, daß mein Bett für mich immer mehr zu einem Ort wird, an dem ich Ruhe finde. Nicht Schlaf, sondern Ruhe. Manchmal gebe ich mir alle Mühe, nicht einzuschlafen. Weil tagsüber zuviel passiert. Das Bett ist jetzt ein Zufluchtsort, wie bis vor kurzem Vaters Schlafzimmer oder ein Stall voller Kühe im Winter. Bevor ich mich hinlege, betrachte ich die Karte von Dänemark und spreche die Namen von ein paar Städten oder Dörfern aus. Jütland ist mir dabei nicht mehr wichtiger

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