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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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Gefühle hochgekommen. Aber es war auch einfach Erschöpfung und eine Art Verzweiflung, die ich selbst nicht richtig einordnen konnte.
    Doch inzwischen ist mein Kopf wieder klar. Ich liege noch ein paar Minuten im Bett, dann muss ich auch aufstehen. Zum Blutzapfen. Das wird dann direkt nach Köln geschickt. Ich ziehe mich an, gehe ins Stationszimmer und mache meinen Arm frei. Es ist soweit, es ist der Moment, auf den ich lange gewartet habe. Der Arzt, der mir heute Morgen das Blut abnimmt, ist normalerweise nicht für mich zuständig. Ich kenne ihn aber bereits von einigen Gruppensitzungen. Er hat – wie immer – gute Laune.
    »Wofür brauchen Sie denn das Blut?«
    Ich gebe ihm die Kurzzusammenfassung, während er eine Kanüle nach der anderen abfüllt.
    »Und was machen Sie, wenn Sie auch positiv sind?«
    »Dann werde ich mich einer prophylaktischen Mastektomie unterziehen.«
    Zack, ohne zu Zögern, wie aus der Pistole geschossen, kommt das inzwischen.
    »Das hört sich doch gut an«, sagt er lächelnd. Und er redet fröhlich weiter: Wenn ich doch mal Kinder möchte, dann müsste ich mir keine Gedanken machen. Er wüsste von einer Studie in Österreich, die herausgefunden hat, dass Kinder, die nicht gestillt werden, sogar weniger Allergien hätten. Also das genaue Gegenteil der landläufigen Meinung.
    Erleichtert gehe ich runter in die Eingangshalle. Tino hat sich in der Zwischenzeit eine neue Essensmarke gekauft, sodass wir noch gemeinsam frühstücken können, bevor er sich auf den Weg nach Freiburg macht. Jetzt fängt das Warten wieder an. Aber wenn es gut läuft, sind es nur zwei Wochen. Die Wissenschaftler wissen jetzt ganz genau, was sie in meinem Erbgut zu suchen haben, entsprechend flott sollte das vonstattengehen.

    Das nächste Wochenende habe ich besucherfrei, und dann hat sich meine Schwester angekündigt. Darauf freue ich mich sehr. Sie hat zwei Auslandssemester in Mexiko verbracht, wo wir sie in den Pfingstferien auch besucht haben. Aber das war das einzige Mal, dass wir uns in diesem Jahr gesehen haben. Das ist für uns beide eine extrem niedrige Quote. Auch die sonst hohe Telefonfrequenz mussten wir deutlich herunterfahren. Die Zeitverschiebung machte es schwer. Außerdem absolvierte sie in Mexiko ein enormes Arbeitspensum. Sie studiert Lebensmitteltechnologie und forschte – ganz passend zum mittelamerikanischen Land – an Bohnen. Ich bin wahnsinnig gespannt, was meine Kleine erzählt und wie sie sich verändert hat.
    Am Donnerstagmorgen gibt es aber noch eine Überraschung: »Frau Heeg, das Ergebnis Ihres Gentestes ist da. Die Kolleginnen aus Köln haben mich informiert.« Ich sitze im Zimmer der Chefärztin und bin beeindruckt: Das ging jetzt aber schnell. Wie erwartet bleibt es dabei: für diese Bekanntgabe muss ich nach Köln. Das Ergebnis von Oma war mir ausnahmsweise noch über die Ärzte in Schönau vermittelt worden.
    »Und wie läuft das jetzt ab?«
    »Sie sollen in Köln anrufen und dort einen Termin vereinbaren«, sagt die Chefärztin.
    Alle möglichen Gedanken schießen mir durch den Kopf. Zurück im Zimmer schnappe ich mir gleich das Telefon, und die nette Sekretärin gibt mir einen Termin am kommenden Montag, also in vier Tagen. »Ja, ist gut, dann komme ich Montag.« Ich atme tief durch. Das geht jetzt wirklich schnell, aber schließlich habe ich lange genug gewartet, eigentlich könnte ich es auch schon sofort hören. Jedenfalls müssen einige Planänderungen her, aber ich habe da schon eine Vorstellung: Anettes Besuch kürzen wir einfach ab, dafür kann sie am Montag mit mir zusammen nach Köln fahren, denn sie muss ja sowieso nach Bonn. Vielleicht geht sie ja sogar mit zur Verkündung der Testergebnisse? Ich werde sie später gleich mal anrufen. Jetzt rufe ich Tino an, der soll die Zugverbindungen heraussuchen.
    Praktischerweise sitzt er direkt vorm Rechner: »Deutsche Bahn, Fahrplanauskunft, was kann ich für Sie tun?«, witzelt er. Auch ihn beflügelt die Aussicht, dass das Warten zu Ende gehen wird.
    »Unglaubwürdig – zu freundlich«, halte ich dagegen.
    Er gibt mir die Verbindung durch.
    »Und danach fahren wir dann nach Freiburg?«, fragt er.
    »Oje, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich bekomme sowieso nur einen Tag in der Klinik frei – dann sitze ich am Montag ja über acht Stunden im Zug, und muss am Dienstag von Freiburg aus wieder acht Stunden zurückfahren.«
    »Ja, aber es ist doch auch doof, wenn ich gleich wieder nach Freiburg fahre und du nach

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