Oben ohne
in ärztlicher Betreuung. Mit dem Brief in der Hand marschiere ich direkt zur Chefärztin. Ich habe Glück, sie hat gerade keinen Termin und nimmt sich kurz für mich Zeit. Wir vereinbaren, dass sie in Köln nachfragt, ob sie mir stellvertretend das Ergebnis mitteilen darf. Hoffentlich klappt das alles. Morgen kommt Tino, es wäre gut, wenn wir Bescheid wüssten.
POSITIVE NACHRICHTEN
Es sind die letzten Meter mit unserem treuen alten Golf. Hundertdreißigtausend Kilometer stehen auf dem Tacho, und bis vergangenen Sommer stand er sogar noch richtig gut da. Aber dann kam ein fantastischer Winter, viel Schnee im Schwarzwald, und wir waren fast jedes Wochenende auf der Loipe. Das ganze Salzwasser auf den Straßen ging allerdings nicht spurlos an unserem Auto vorbei. Einige Roststellen waren sogar für mich als Laien deutlich zu sehen. Unser Automechaniker schüttelte jedenfalls energisch sein weises Haupt, als ich ihn vorsichtig fragte, ob wir im Herbst nochmal problemlos über den TÜV kommen würden.
Also musste ein neues Auto her. Gerade auf den acht Stunden Autofahrt nach Oberbayern zeigte der VW auch deutliche Schwächen. Die Stoßdämpfer im Eimer, Straßenlage wie ein Wackelpudding, ein uraltes Radiogerät – selbstverständlich ohne CD- oder wenigstens Kassettenteil! –, denn das stammte tatsächlich aus dem Golf I meiner Eltern, von wo sie es voller Liebe in den neuen Golf II einbauen ließen. Nur der Stauraum ist immer noch enorm groß für so ein Mittelklasse-Auto. Bei unserem üblichen Pfingsturlaub am Gardasee bekommen wir neben dem massiven Hauszelt, der kompletten Campingausrüstung auch locker unsere beiden Mountainbikes in die olle Kiste. Ein echtes Platzwunder eben.
Wir hatten bereits darüber diskutiert, ich suchte etwas im Internet herum, und schließlich entschlossen wir uns für einen Jahreswagen von Peugeot, einen 206er als Kombi. Nach einigem Suchen fand ich in Stuttgart einen Wagen, der unser Budget nicht zu sehr belasten würde. Das passte mir gut, bei einem der ersten Besuche in Oberbayern schaute ich mir das Auto an, absolvierte eine kurze Probefahrt, warf einen pseudo-fachmännischen Blick unter die Motorhaube – und jetzt will ich ihn kaufen. Der nächste Besuch bei Evelyn bietet sich dazu an, die Autos in Stuttgart einfach zu tauschen. Natürlich hätte ich den Golf auch hier verkaufen können. Aber das zu organisieren, ist mir im Moment eindeutig zu viel. Es genügt, dass ich zu Hause den Haushalt allein schmeißen muss, weil Evelyn in Kur ist. An den Wochenenden bin ich sowieso ständig in Oberbayern, unter der Woche arbeite ich viel. Also, keinen unnötigen Stress!
Alles ist entsprechend vorbereitet, ich freue mich gerade wie ein kleiner Junge auf den neuen Wagen, das lenkt mich auch schön von den anderen, weniger erbaulichen Themen in unserem Leben ab. Das Autohaus liegt in einem der Stuttgarter Industriegebiete, ich kenne den Weg noch ungefähr von meinem ersten Besuch, hier geht es rechts, dann die Straße mit den Bahnschienen von der Tram, genau – da klingelt mein Handy und ich sehe Evelyns Nummer. Obwohl das nicht sehr schlau ist, melde ich mich, während ich fahre.
»Oma ist positiv!«
Evelyn weint. Meine erste Regung ist Erleichterung.
»Das ist doch gut«, entgegne ich.
Evelyn ist weiterhin völlig aufgelöst, was ich gerade nicht wirklich nachvollziehen kann. Mir ging dieser Sommer ordentlich an die Nieren. Ich musste mich zu Hause alleine durchschlagen, gleichzeitig ging es Evelyn in der Klinik immer wieder richtig schlecht. Natürlich hoffte ich, dass alles dazu beiträgt, dass es ihr hinterher besser geht. Aber: eine Garantie hat man natürlich nicht. Mit diesem Gefühl musste ich weitgehend allein klarkommen. Dazu kam das Geduldsspiel mit dem Gentest, das auch an meinen Nerven gezerrt hat. Evelyn war am Ende fast gar nicht mehr in der Lage, sich darum zu kümmern, und so habe ich ihr viel abgenommen. Das ging überhaupt nur, weil ich als Selbständiger meine Zeit frei einteilen konnte.
Ich merke, dass wir jetzt länger reden müssten. Dazu müsste ich an die Seite fahren und mir richtig Zeit zum Telefonieren nehmen. Aber ich bin jetzt auch einfach erleichtert, dass das Ergebnis da ist – und so ausfällt. Das ist für mich einfach fantastisch. Ich schaffe es nicht, jetzt ein längeres Gespräch mit Evelyn zu führen und sie zu trösten. Dazu sind unsere Befindlichkeiten einfach zu unterschiedlich. Ich beende das Gespräch schnell und konzentriere mich wieder
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