Oben ohne
die schlechten Nachrichten im Augenblick am meisten erschüttern. Für Tino und mich stand ja von Anfang an fest, dass es so kommen konnte. Tino hatte ja noch eher daran geglaubt, dass ich entlastet werden könnte. Aber dass wir nach Köln fahren mussten zur Ergebnisverkündung, hat er intern schon als schlechtes Zeichen gewertet.
Nach ein paar Minuten hat sich Anette etwas beruhigt, und die Professorin klärt mich nochmals über die verschiedenen Handlungsalternativen auf, die mir nun zur Verfügung stehen: engmaschige Vorsorge, gewisse medikamentöse Behandlungen oder eben Entfernung des Brustgewebes.
»Ich bin definitiv entschlossen, eine Mastektomie mit gleichzeitigem Wiederaufbau durchführen zu lassen«, sage ich. Nur die Mastektomie bietet eine Risikoreduktion, die diesen Namen verdient. Alles andere ist für mich Krebs auf Raten. Allein die Vorstellung, dass sich zum Beispiel direkt nach einer Vorsorgeuntersuchung ein Tumor bilden könnte. Der hätte dann ein halbes Jahr Zeit, in meinem Köper zu wachsen und zu streuen! Zudem würde ich mich definitiv die ganze Zeit krank fühlen, gerade auch wenn ich täglich irgendwelche Medikamente schlucken müsste, die das Risiko dann dennoch nicht erheblich senken können.
»Im Moment bietet doch nur die Mastektomie eine fast vollständige Reduzierung des Risikos, richtig?«
Die Ärztin bestätigt das: »Je nach Untersuchung bleibt maximal ein Restrisiko von wenigen Prozent.«
Und dann schildern sie uns erst einmal ausführlich die verschiedenen Methoden, die Brust mit eigenem Fettgewebe wieder aufzubauen. Wir lernen, dass es darauf ankommt, dass der Chirurg möglichst viel Brustgewebe entfernt. Das bestimmt dann sozusagen auch das Restrisiko, denn in diesem Restgewebe kann es eben doch noch zu Tumorwachstum kommen. Wenn der Chirurg also fünf Prozent stehen lässt, dann habe ich ein höheres Restrisiko, als wenn nur zwei Prozent übrig bleiben. Ein gewisser Rest wird immer bleiben, allerdings ist das Gewebe nicht mehr mit dem Lymphsystem verbunden, worüber die Tumoren besonders gut streuen können. Aber klar ist auch, dass ich mein restliches Leben in eine relativ engmaschige Vorsorge muss.
Tino fragt, ob sie uns denn einen Chirurgen nennen können, der die Operation durchführt. Da gibt es natürlich einige, die in Frage kommen. Frau Professor Schmutzler gibt uns einen ausführlichen Überblick über die kompetentesten Operateure und deren Methoden des Wiederaufbaus und berichtet von ihren persönlichen Erfahrungen. So erzielte ein Spezialist wohl sehr schöne optische Ergebnisse der Brust, sie musste aber in der Nachsorgeuntersuchung feststellen, dass bei der betroffenen Frau noch relativ viel Gewebe vorhanden war. Das will ich natürlich auf keinen Fall. Wenn schon, dann richtig.
»Und dann gibt es noch Professor Feller in München. Mit ihm haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Sowohl optisch als auch was die Entfernung des Brustgewebes angeht.« Das ist der aus dem Spiegel- Artikel.
Wir fragen noch nach, wie die Rekonstruktion genau vor sich geht. Sie erklären uns, dass es meist aus Bauchfett gemacht wird. Dazu müsste ich unter Umständen noch einiges zunehmen, aber das wird der Chirurg dann mit uns im Detail klären. Zunehmen – Dinge, die die Welt nicht braucht, denke ich mir. Aber nun gut. Frau Professor Schmutzler sichert uns noch ihre Unterstützung bei Kostenanträgen zu. Die werden wir brauchen, denn normalerweise übernehmen die Kassen keine prophylaktischen Operationen.
Natürlich bedeutet das Ergebnis auch, dass ich mir mit vierzig die Eierstöcke entfernen lassen muss, weil mein Risiko für ein Ovarialkarzinom dann in die Höhe schießt – auch eine Auswirkung der Mutation. Aber das ist jetzt gerade das geringste Problem. Vorher gibt es noch viel dringlichere Baustellen. Wir machen aus, dass, wenn ich Genaueres über die Mastektomie in Erfahrung gebracht habe, ich mich in Köln melden werde.
Wir verabschieden uns von den beiden Ärztinnen, die das Gespräch sehr einfühlsam geführt haben, und verlassen die Klinik. Jetzt ist erst mal alles geschwätzt, wie wir Schwaben sagen.
»Wir nehmen die Straßenbahn«, übernehme ich das Ruder, als wir vor der Pforte stehen. »Kein Widerspruch? Okay, dann fahren wir.« Komischerweise habe ich kein Bedürfnis, jetzt zu laufen. Irgendwie bin ich gefasst. Nun weiß ich, was Sache ist, und nun kann ich handeln. Tino hingegen ist schon enttäuscht. Wir steigen aus der Straßenbahn aus und suchen in
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