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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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beruhigen.
    Anette schaut sichtlich gequält aus der Wäsche. In solchen Momenten kann ich es immer nicht glauben, dass wir wirklich Schwestern sind. In dieser Beziehung sind wir uns einfach überhaupt nicht ähnlich, denn ich habe einen enormen Bewegungsdrang und mache für mein Leben gerne Sport. Aber trotz aller Widrigkeiten erreichen wir das Städtchen noch zu Ladenöffnungszeiten.

    Der Sonntag vergeht rasend schnell. Bis auf eine kurze Joggingrunde, die ich allein absolviere, sind wir die ganze Zeit am Reden. Es gibt so viel zu erzählen, hauptsächlich über Anettes Aufenthalt in Mexiko. Nur der Montag ist kein großes Thema zwischen uns. Seltsamerweise bin ich ganz ruhig, da ist absolut keine Angst. Anette wird auch mitkommen, sodass wir in Köln zu dritt auflaufen, das hatten wir schnell geklärt. Seither umschiffen wir das Thema. Da der Zug am Montag sehr früh geht, habe ich mich ohne Widerrede zur Taxifahrt überreden lassen.
    Die Zugfahrt von Berchtesgaden bis Mannheim verbringen wir mit Dösen und weiteren stundenlangen Gesprächen. Zum Glück erreichen wir heute alle Anschlusszüge. Wir werden in Köln etwa dreißig Minuten haben, um zur Klinik zu kommen. Tino hat schon angekündigt, auf jeden Fall ein Taxi nehmen zu wollen. »Da müssen wir uns doch keinen zusätzlichen Stress geben mit der Straßenbahn«, argumentierte er.
    Ich kenne die Verbindung mit der Straßenbahn, eine halbe Stunde reicht da locker, aber ich merke, dass es für Tino gerade wichtig ist, dass alles glattläuft. Oder dass er alles im Griff hat. Jedenfalls habe ich ihm nicht widersprochen. Wird eben nochmal Taxi gefahren heute. Als Tino in Mannheim zu uns stößt, ist er tatsächlich nervöser, als ich es bin. Anette und ich fangen an, ihm von unserer Shoppingtour zu berichten. Tino hört zwar zu, macht aber nicht den Anschein, als würde ihn das Thema gerade brennend interessieren. Wir machen trotzdem weiter. Irgendetwas muss man ja tun.
    Am Hauptbahnhof springen wir in ein freies Taxi. Auf der Fahrt frage ich mich, ob das eigentlich der direkte Weg ist, den der Fahrer nimmt. Aber das werde ich nicht herausfinden. Jedenfalls liefert er uns pünktlich ab, wir packen unsere Taschen und Koffer und stehen etwas unentschlossen vor dem Portal. Die beiden anderen sehen mich erwartungsvoll an, aber ich muss mich erst einmal orientieren. Seit das Brustzentrum in Köln ist, haben sich die örtlichen Gegebenheiten ein paar Mal geändert. Schließlich bekomme ich die Strecke wieder zusammen, und wir bahnen uns unseren Weg durch die Gänge. An der Anmeldung des Zentrums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs begrüßt uns wieder die nette Sekretärin. Mit unserem Gepäck blockieren wir den halben Raum. »Nehmen Sie doch erst mal im Wartezimmer Platz, die Taschen können Sie hier abstellen, ich passe schon auf.«
    Das Wartezimmer hat sich inzwischen komplett verändert. Kein Vergleich mehr zu meinem ersten Besuch hier. Der Warteraum ist in einem angenehmen Gelbton gestrichen, neutrale, aber freundliche Bilder an der Wand, man möchte gar nicht glauben, dass man in der Uniklinik sitzt. Obwohl wir etwas zu früh sind, müssen wir nicht lange warten. Wir werden von einer Ärztin abgeholt, die uns durch ein Gewirr aus Gängen, Aufzügen und Türen zum Zimmer von Frau Professor Schmutzler bringt. Wir begrüßen uns, ich stelle den beiden Ärztinnen meine Schwester und meinen Mann vor, und dann muss erst mal noch ein Stuhl herangeschafft werden, denn mit diesem Personenaufgebot hatten sie nicht gerechnet. Auf dem Tisch liegen bereits einige Blätter bereit. Ich werfe einen kurzen Blick darauf und ahne schon, was jetzt kommt.
    Die Professorin beginnt das Gespräch in ruhigem, aber ernstem Tonfall. Sie fasst nochmal kurz den Anlass unseres Treffens zusammen und fragt dann ein letztes Mal explizit nach, ob ich das Ergebnis meines Gentestes wirklich wissen möchte.
    Nein, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich habe das alles angefangen, um es auch zu Ende zu bringen. »Ich möchte das Ergebnis wissen«, sage ich mit fester Stimme. Frau Professor Schmutzler nickt und zeigt uns auf einem Scan von Omas Genen, wo bei ihr die Mutation gefunden wurde. Das hatte ich mir schon gedacht, dass das eben Omas Ergebnis ist.
    »Und nun zu Ihnen, Frau Heeg: Leider haben wir diese Mutation auch in Ihrem Erbgut gefunden.«
    Jetzt ist es raus. Ich bin positiv. Neben mir beginnt jemand zu schluchzen – es ist Anette. Wir kümmern uns alle etwas um meine Schwester, die

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