Oben ohne
Schönau.«
»Ich weiß, dass wir gerade nicht viel Geld haben, aber können wir nicht eine Nacht im Hotel verbringen?«
Ich möchte irgendwie nicht in unsere Freiburger Wohnung. Wenn ich da erst mal bin, will ich nämlich vielleicht überhaupt nicht mehr nach Schönau! Ach, ist das alles kompliziert.
»Bis wann ist denn dein Aufenthalt genehmigt?«
»Bis Mittwoch meine ich.«
»Und wenn du einfach schon früher rausgehst?«
»Ich weiß nicht … keine Ahnung, wie ich auf das Ergebnis reagiere. Ich möchte eigentlich schon nochmal zurück. Vielleicht geht es mir total beschissen. Ich glaube zwar nicht, aber ich hätte auch nicht gedacht, dass ich auf das Ergebnis von Oma so reagiere. Außerdem komme ich mit meinem Geraffel, dass sich inzwischen hier angesammelt hat, nicht mehr mit dem Zug zurück: Mountainbike, Wanderzeug, deine Isomatte, Schlafsack … «
Tino bucht schließlich für Montagnacht ein Hotel in Köln, und ich werde am Dienstag nach Oberbayern zurückfahren. »Ich hole dich dann am nächsten Freitag mit dem Auto in Schönau. Dann müssen wir eben die Tage selber bezahlen.«
»Ja, so wäre es mir am liebsten.«
Am Samstagmorgen hole ich Anette am Bahnhof in Berchtesgaden ab. Sie hat den Nachtzug genommen, aber nur einen Platz im normalen Abteilwagen. Ich hatte ihr angeboten, einen Teil der Fahrt zu bezahlen, damit sie zumindest Liegewagen fahren kann. Aber aus Kostengründen wollte sie es so. Ob es denn unbedingt der Nachtzug sein müsse, wollte ich dann wissen. »Evelyn, das ist einfach die beste Tagausnutzung, wenn ich nachts fahre.« Gut, das kann ich schon verstehen. Ein Liegewagen hätte meiner Meinung nach aber deutlich mehr Nachtausnutzung geboten.
Aber diese Diskussion bringt nichts. Da bin ich dann einfach die große Schwester, der sie jetzt widersprechen muss. Vielleicht liegt es auch daran, dass unser Verhältnis manchmal eher ein Mutter-Kind-Verhältnis ist als ein schwesterliches. Ich weiß es nicht, ich weiß ja selber nicht mehr so richtig, wie sich ein Mutter-Kind-Verhältnis anfühlt. Außer, dass ich mir inzwischen klar bin, dass mir das Gefühl von Geborgenheit fehlt, weiß ich nichts darüber. Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich mich mit meiner Schwester die meiste Zeit einfach nur gut verstehe. Und selbst wenn ich sie teilweise behandele, als wäre sie mein Kind, dann mache ich es doch gern und freue mich, an ihrem Leben teilhaben zu dürfen.
Als Anette aus dem Zug steigt, sieht sie doch etwas gerädert aus. Ich verkneife mir einen klugscheißerischen Spruch, das führt uns nicht weiter. Wir umarmen uns. Dann präsentiert sie mir stolz ihren Rollkoffer, den sie in Mexiko gekauft hat. Hmm, besticht auch nicht gerade durch Handlichkeit, denke ich mir. Er ist nämlich ziemlich riesig, gerade im Vergleich mit meiner körperlich doch kleinen Schwester. Obwohl ich die Ältere bin, überrage ich sie locker um einen halben Kopf. Oft ist es ja gerade umgekehrt.
Eigentlich wollte ich mit ihr nach Schönau laufen, aber das können wir gerade mal knicken. Jetzt muss halt ein Taxi her.
Schon auf der Fahrt erzählt mir Anette die neuesten Geschichten aus ihrem Leben, und im Zimmer angekommen, lümmeln wir uns aufs Bett und führen das gegenseitige Update fort. Irgendwann bin ich an der Reihe und zeige ihr meine neuen Schuhe.
»O Evelyn, Schuhe! Das ist ein gutes Stichwort. Ich brauche unbedingt neue Schuhe. Die müssen wir hier zusammen kaufen.«
»Ja, das hättest du in Berchtesgaden sagen müssen. Hier in Schönau gibt’s nur Bergschuhe. Außerdem sind wir nicht in der Großstadt, die Läden schließen samstags um zwei Uhr.«
»Um zwei?« Anette macht große Augen.
»Wir sind auf dem Land! Los komm, wir machen uns gleich auf den Weg. Das reicht schon noch. Muss das Mittagessen hier eben ausfallen. Ich würde nur vorschlagen, dass wir nach Berchtesgaden laufen. Taxifahren ist nicht so billig wie in Mexiko.«
»Laufen?«, meine Schwester ist entsetzt. »Dahin willst du laufen: die ganze Strecke, die das Taxi gefahren ist?«
»Ja, mach schon. So weit ist das nicht.«
Auf dem Weg muss ich mir immer wieder anhören, dass es doch ein ganz schönes Stück sei. Passenderweise fährt gerade, als wir am Hauptbahnhof in Berchtesgaden vorbeigehen, ein Bus mit der Aufschrift »Schönau« vor. Anette bleibt stehen: »Evelyn, es hätte einen Bus gegeben?«
»Ja, klar, aber ich habe keine Ahnung, wann die fahren. Wir können ja für den Rückweg schauen«, versuche ich sie zu
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