Oben ohne
der Kölner Fußgängerzone ein Café. Die Stadt ist wie immer gerammelt voll. Das erste Café lassen wir links liegen. Es ist nicht nach unserem Geschmack, zu sehr Spitzentischdecken und Filterkaffee. Das stellt sich bald als Fehler heraus. Wirklich üppig ist die Auswahl hier nicht. »Vielleicht sind die Mieten zu hoch«, mutmaßen wir. Oder wir sehen sie gar nicht. Anette kennt Köln etwas besser: »Es kommt gleich was. Ich weiß es!«
Nach gefühlten Stunden erreichen wir ein nettes Café im Stil der neumodischen amerikanischen Ketten, die gerade den alten Kontinent erobern, und bei Kaffee, Brownies und Muffins sieht die Welt für uns alle gleich schon wieder etwas freundlicher aus. Wir reden noch kurz über das Ergebnis, aber landen schnell bei leichteren Themen. Ich habe das Gefühl, dass es schon okay ist, so wie es ist. Wenigstens hat sich der ganze Aufwand gelohnt.
Unser Hotel muss irgendwo am Dom liegen. Wir schlagen uns zum Hauptbahnhof durch, wo wir uns von Anette verabschieden, denn sie nimmt den Zug zu ihrem Freund nach Bonn. Tatsächlich finden wir das Hotel nur wenige Straßen entfernt, an einem stillen Platz mit einer Kirche. Wir checken ein, werfen unser Gepäck in die Ecke, und ich rufe kurz bei Anettes Freund an, um ihm zu sagen, was Sache ist – und um ihm auch zu sagen, dass er meine Schwester ganz schön mitgenommen hat. Nur damit er vorbereitet ist.
Tino ist unter der Dusche, und ich schaue mir das Zimmer genauer an: Ist eigentlich gar nicht so schlecht, denke ich. Oh, ich bin froh, jetzt nicht nach Freiburg zu müssen. Es ist gut, mit dem ersten Eindruck einfach weg zu sein von zu Hause. Das ist wie eine Atempause. Nachdem ich auch geduscht habe, machen wir uns startklar für einen kleinen Stadtrundgang. Der Ladenschluss hat in der Fußgängerzone für Entspannung gesorgt. Wir schlendern an den Schaufenstern vorbei Richtung Rhein. Das ist hier schon ganz schön touristisch, aber andererseits auch richtig nett. Wir finden einen gemütlichen Italiener, bei dem wir Pizza essen können. Wir setzen uns, bestellen und beginnen langsam, die Ereignisse des Tages zu besprechen. Im Moment überwiegt eindeutig die Erleichterung über die gewonnene Klarheit, inzwischen auch bei Tino. Irgendwie ist sogar ein wenig Leichtigkeit zurückgekommen heute Abend. Erstaunlich, aber so ist es. Wir wissen ja jetzt, was zu tun ist.
Als der Kellner unsere Teller bringt und mir die Düfte in die Nase steigen, merke ich, dass es doch Zeit wird, wieder nach Hause zu kommen. Endlich mal wieder mit viel Knoblauch kochen! Ohne Rücksicht auf Verluste. In der Klink wird so etwas ja nicht gemacht, sicher wegen der älteren Patienten. Auf meine Sommerleibspeise – frisches Pesto, von Tino per Hand im Steinmörser hergestellt – habe ich viel zu lange verzichtet. Es müsste noch frisches Basilikum auf dem Markt geben, denke ich, während mir das Wasser im Mund zusammenläuft.
ABSCHIED VON SCHÖNAU
»Sie sind schon zurück?«
Auf dem Weg zu einer anderen Patientin treffe ich den Doc, der mir das Blut für den Gentest abgenommen hat. Es ist halb neun abends.
»Wie war’s?«
Ich zeige mit dem Daumen nach unten.
Er nickt: »Sie wussten es schon.«
»Ja.«
»Sind Sie okay? Brauchen Sie noch etwas?«
»Nein, danke. Es ist gut so. Ich schaue noch nach einer Mitpatientin.«
»Dann bis morgen.«
Tino hat gleich nach seiner Ankunft in Freiburg bei Professor Feller in München angerufen. Es ist kaum zu glauben: Wir haben am Freitagnachmittag einen Termin! Das ist perfekt, Tino kommt am Donnerstagabend mit dem Auto nach Schönau, wir schnappen mein ganzes Gerümpel und fahren am Freitag nach München. Von dort aus geht es dann nach Hause.
Ich hätte es ja sowieso schon gewusst … Das stimmt schon, ich bin mir schon länger sicher. Mein Gefühl hat mir deutlich gesagt: Unternimm etwas, bevor es zu spät es! Das war jetzt also mein erstes Gespräch darüber, dass ich positiv bin. Na ja, als richtiges Gespräch kann man das nicht unbedingt bezeichnen. Aber es gibt nicht viel zu besprechen. Es ist so, ich weiß, was zu tun ist. Soll ich jetzt bei Anne klopfen? Ach, ich gehe lieber noch einmal kurz raus. Es regnet nicht – das muss man direkt ausnutzen.
Draußen ist es inzwischen richtig dunkel, am Himmel sehe ich nur einige wenige Sterne, aber es ist ein milder Abend. Noch Sommer, denke ich.
Ich kann es immer noch nicht fassen, dass es so schnell weitergehen kann. Schon am Freitag gehen wir zu Professor Feller, und
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